USA streben Regierungswechsel im Iran an

Sejed Hussein Mussawian. Foto: Wikimedia/Tasnim Nachrichtenagentur; Mohammad Hassanzadeh
Sejed Hussein Mussawian. Foto: Wikimedia/Tasnim Nachrichtenagentur; Mohammad Hassanzadeh

WASHINGTON (dpa) - Warum kündigen die USA das historische Abkommen mit dem Iran auf, das sie 2015 nach mühseligem Ringen unterschrieben haben? Sejed Hussein Mussawian saß einst für die iranische Delegation mit am Verhandlungstisch - und hat eine klare Meinung zur Strategie Trumps.

Über Jahre hinweg und unter größten Mühen hat der Westen mit dem Iran um ein Abkommen gerungen, um Atomwaffen in den Händen der Islamischen Republik zu verhindern - und dem Land zugleich wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Als die Vereinbarung 2015 besiegelt wird, ist von einem historischen Durchbruch die Rede. Doch drei Jahre später kündigt sie US-Präsident Donald Trump wieder auf. Sein Argument: Das Abkommen greife zu kurz, Teheran bleibe eine Gefahr für die Welt. Der frühere iranische Atomunterhändler Sejed Hussein Mussawian vermutet andere Beweggründe hinter Trumps Politik.

Frage: Seit August gelten wieder US-Sanktionen, am Montag tritt die zweite Runde an Sanktionen in Kraft. Was sind die Folgen?

Antwort: Die erste Phase hat negative Auswirkungen auf den Handel des Auslands mit dem Iran gehabt und der iranischen Wirtschaft geschadet. Allerdings hat es die politischen Fraktionen im Iran vereint darin, der schikanösen US-Strategie Widerstand zu leisten.

Frage: Was werden die Auswirkungen der zweiten Runde an Sanktionen sein, die besonders auf den wichtigen Ölhandel abzielen?

Antwort: Die zweite Phase wird noch größere Auswirkungen auf den Handel des Irans mit dem Ausland und auf die iranische Wirtschaft haben. Die iranische Wirtschaft ist dominiert von Öl- und Gasexporten, die fast 60 Prozent der Exporteinkünfte ausmachen. Es könnte eine Chance sein, die iranische Wirtschaft wegzulenken von ihrer Abhängigkeit vom Öl und sie zu diversifizieren.

Frage: Was glaubt der Iran, was das Ziel der Sanktionen ist?

Antwort: Es gibt keinen Zweifel daran, dass das ultimative Ziel der USA ein Regierungswechsel ist. Allerdings erproben die USA diese Politik seit rund vier Jahrzehnten und sind damit gescheitert. Nun erlebt auch Präsident Trump eine gescheiterte Politik und wird bald erkennen, dass die Regierungswechsel-Strategie nicht funktioniert.

Frage: Welche Rolle kann Europa dabei spielen, das Atomabkommen (JCPOA) mit dem Iran am Leben zu erhalten?

Antwort: Bislang hat die EU gut Widerstand geleistet gegen den einseitigen Rückzug der USA aus dem JCPOA. Letztlich wird der Erfolg der EU an ihrer Fähigkeit gemessen werden, spürbare wirtschaftliche Erfolge und Dividenden zu liefern, die dem Iran im Rahmen des Atomabkommens versprochen wurden.

Frage: Wie wirkt sich die Iran-Politik der USA auf den Nahen Osten insgesamt aus?

Antwort: Die USA haben den Nahen Osten rund 60 Jahre lang dominiert, und das ist der Nahe Osten, den wir heute haben: voller Bürgerkriege, gescheiterter Staaten, sektiererischer Konflikte und zunehmendem Terrorismus. Das alles kommt daher, dass die wahre Religion der Vereinigten Staaten im Nahen Osten Öl, Öl, Öl gewesen ist. Obwohl die USA nun unabhängig vom Öl geworden sind, ist die Hauptstrategie darauf ausgerichtet, Petro-Dollar durch den Verkauf von Waffen, Waffen, Waffen zu verdienen. Solange die USA eine solche Politik in der Region verfolgen, werden wir keinen stabilen Nahen Osten haben.

ZUR PERSON: Sejed Hussein Mussawian war zwischen 1990 und 1997 Botschafter des Irans in Deutschland. Von 2003 bis 2005 war er Sprecher der iranischen Unterhändler bei den Atomverhandlungen mit dem Westen. Heute forscht er als Gastprofessor an der Universität Princeton in den USA. Einer seiner Schwerpunkte: das Atomabkommen mit dem Iran, aus dem US-Präsident Donald Trump im Mai den Ausstieg erklärte.

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