Premier Mitsotakis zum Abhörskandal

​Habe nichts gewusst

Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Foto: epa/Julien Warnand
Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Foto: epa/Julien Warnand

ATHEN: Der griechische Geheimdienst hört monatelang das Handy eines führenden Oppositionspolitikers ab. Doch wer den Auftrag gab und warum, bleibt unklar. Ein Abhörskandal erschüttert die bisher recht reibungslos agierende Regierung.

Nichts gesagt, nichts gesehen, nichts gehört - bei einer Stellungnahme zum aktuellen Abhörskandal in Griechenland hat sich Premier Kyriakos Mitsotakis am Montag ahnungslos gezeigt. «Das, was passiert ist, mag gesetzmäßig gewesen sein, aber es war falsch. Ich wusste davon nichts, und offensichtlich hätte ich so etwas auch nie genehmigt», sagte er im Staatsfernsehen. Wer die mittlerweile bestätigte Abhöraktion des Handys eines Oppositionspolitikers durch den griechischen Nachrichtendienst EYP beauftragt hat und warum, blieb damit weiter offen - und gab Nahrung für neue Spekulationen.

Die Reaktionen auf Mitsotakis kurze Ansprache ließen nicht lange auf sich warten. Arrogant, reuelos und verlogen - so bezeichnete die linke Oppositionspartei Syriza den konservativen Regierungschef und forderte seinen Rücktritt. Noch vernichtender fiel das Urteil des Abhör-Opfers selbst aus: «Mit seiner heutigen Erklärung zeigte sich der Ministerpräsident erneut schuldlos, indem er das Narrativ eines 'Rechtsfehlers' bemüht, um eine Straftat zu rechtfertigen», ließ Nikos Androulakis mitteilen. Das Handy des EU-Parlamentariers und Chefs der sozialdemokratischen Partei Pasok war rund drei Monate lang abgehört worden, wie in den vergangenen Wochen bekannt wurde.

Mitsotakis verwies in seiner Ansprache darauf, dass die politische Verantwortung übernommen worden sei, indem sowohl der Chef des Nachrichtendienstes als auch der Büroleiter des Premiers am Freitag zurückgetreten seien. Nun müsse man den Untersuchungsausschuss des Parlaments seine Arbeit machen lassen. Das jedoch ist frühestens im September der Fall, denn derzeit befindet sich das griechische Parlament in der Sommerpause.

Die vielen offenen Fragen befeuern Spekulationen, die Opposition spricht bereits von einem «griechischen Watergate» - in Anlehnung an die Watergate-Affäre während der Amtszeit des ehemaligen republikanischen US-Präsidenten Richard Nixon.

So bleibt unklar, wer den Auftrag zur Abhöraktion überhaupt erteilt hat - oder wer womöglich noch abgehört wurde. Der verantwortliche und nun zurückgetretene Geheimdienstchef Panagiotis Kontoleon soll zu Protokoll gegeben haben, er habe auf Wunsch ukrainischer und armenischer Behörden gehandelt, die sich für Androulakis als EU-Parlamentarier interessiert hätten. Das wiesen Vertreter beider Länder umgehend zurück.

Der Skandal wirft einen tiefen Schatten auf die bisher recht reibungslos verlaufene, dreijährige Amtszeit des konservativen Premiers. Der als Technokrat bekannte Mitsotakis hat Griechenland seit seinem Amtsantritt im Sommer 2019 nicht nur erfolgreich aus einer fast zehnjährigen Finanzkrise geführt. Er steuert auch externe Krisen wie die Konflikte mit dem Nachbarland Türkei und die Corona-Pandemie mit ruhiger Hand. Darüber hinaus gelang es Athen zuletzt, wieder Investoren und Unternehmen ins Land zu locken, auch auf Basis einer sehr erfolgreichen Digitalisierungsstrategie. All das könnte nun auf dem Weg zu den nächsten Wahlen, die planmäßig im Juli 2023 anstehen, in den Hintergrund geraten.

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