Familienzusammenführung à la Steinmeier

Freudentränen in Vilnius 

Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Foto: epa/Robert Ghement
Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Foto: epa/Robert Ghement

BERLIN/VILNIUS: Ein halbes Jahr voneinander getrennt - keine leichte Situation für Familien. Für die in Litauen stationierten deutschen Soldatinnen und Soldaten ist das jedoch Alltag. Einige von ihnen sehen sich jetzt unverhofft früher wieder - wenn auch nur für 24 Stunden.

Erst eine feste Umarmung, dann ein inniger Kuss und schließlich ein paar Freudentränen - auf dem Rollfeld des Flughafens in der litauischen Hauptstadt Vilnius spielen sich am Montagabend freudige Szenen ab. Während die Sonne gerade orange-rot versinkt, sehen zwölf hier stationierte Bundeswehr-Soldaten erstmals seit Monaten ihre Ehefrau, ihre Mutter oder ihr Kind wieder. «Ich find' das cool. Nach vier Monaten quasi nur per Bild ist das schon ein tolles Gefühl», sagt Hauptmann Patrik Huch, der mit seiner Frau Mareike in dieser langen Zeit nur per Video-Chat gesprochen hat.

Dass sie sich nun vor dem kurz zuvor gelandeten Luftwaffen-Airbus wieder in den Armen halten können, haben die Soldaten und ihre Familienangehörigen dem Bundespräsidenten zu verdanken. Frank-Walter Steinmeier ist nach Vilnius gekommen, um anlässlich des 700-jährigen Stadtjubiläums bei einer Konferenz zu den deutsch-litauischen Beziehungen eine Rede zu halten. Er will die Gelegenheit nutzen, um nicht nur den hier stationierten deutschen Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz zu danken, sondern auch ihren Angehörigen zu Hause.

Die Soldatinnen und Soldaten würden dafür wertgeschätzt, was sie zum Schutz von Freiheit und Demokratie leisteten, sagt Steinmeier, als er die Angehörigen vor dem Abflug erstmals trifft. Vielleicht habe man bisher aber nicht genügend berücksichtigt, dass dies seine Voraussetzungen habe. «Und die Voraussetzungen liegen zu einem großen Teil bei Ihnen, werden zu Hause gelegt.» Nach vielen Gesprächen bringt Steinmeier es am Tag darauf so auf den Punkt: «Zeitenwende für die Bundeswehr bedeutet auch Zeitenwende in vielen Familien.»

Mareike Huch freut sich zwar auf ihren Mann, findet aber das ganze Drumherum mit dem Bundespräsidenten «noch einen Tick aufregender», wie sie vor dem Abflug lachend sagt. «Die Reise ist aufregender als meinen Mann zu treffen, weil den kenne ich. Da weiß ich ja, was mich erwartet.» Regulär würde sie ihren Mann erst Anfang/Mitte August wiedersehen - dass sie jetzt zumindest für 24 Stunden mit ihm vereint ist, lässt sie später auf dem Rollfeld in Vilnius aber doch strahlen.

Die Bundeswehr führt im litauischen Rukla einen multinationalen Gefechtsverband, der dem Schutz der Nato-Ostflanke gegen eine mögliche russische Aggression dient. Jedes Kontingent ist in der Regel ein halbes Jahr lang hier stationiert. Derzeit sind es rund 760 Soldatinnen und Soldaten, überwiegend vom Panzergrenadierbataillon 401 in Hagenow (Mecklenburg-Vorpommern).

Dass ihre Männer und Frauen, Väter und Mütter, Söhne und Töchter nur rund 100 Kilometer von der russischen Grenze entfernt stationiert sind, sehen die Angehörigen relativ gelassen. «Für uns als Familie ist das ein beruhigenderer Standort als die Zeit, wo mein Mann in Afghanistan war», sagt Yvonne Haase. «Da war mehr Sorge, größere Angst.» Jetzt habe sie das Gefühl, ihr Mann sei ein bisschen greifbar. «Wir sind 883 Kilometer voneinander getrennt. Ich sage immer: Mensch, Schatz, in zwölf Stunden könnte ich da sein, wenn etwas ist.»

Ilona Hufschmidt freut sich auf gleich zwei Angehörige - ihre Tochter und ihren Schwiegersohn. Sie hat sie zuletzt im Februar gesehen. «Wir haben immer die Angst im Hinterkopf, dass das umschlagen kann», sagt sie zur möglichen Bedrohung durch Russland. Aber richtig Sorge um ihre Tochter und ihren Schwiegersohn hat sie nicht. «Solange Putin die Füße still hält, ist alles gut.»

Und wenn Kreml-Chef Wladimir Putin das nicht tut? Dann tritt wohl ein, was Steinmeier am Dienstag in Vilnius betont: «Gemeinsam mit unseren Partnern schützen wir Litauen, die Nato-Ostflanke und jeden Quadratzentimeter des Bündnisgebietes.» Wie das aussehen kann, soll ihm eigentlich am Nachmittag auf dem Truppenübungsplatz Pabrade bei einem Gefechtsschießen gezeigt werden. Doch im Zielgebiet brennt der Wald - statt zu schießen, rollen die Leopard-2-Kampfpanzer daher nur kurz in einer dichten Staubwolke mit dröhnendem Motor durch den Sand.

Auf dem Truppenübungsplatz trifft der Bundespräsident auch seinen Gast Mareike Huch und ihren Mann Patrik wieder. Das Wiedersehen nach so langer Zeit sei «wunderschön» gewesen, sagt sie. «Jetzt sind es noch zehn, elf Wochen, das schaffen wir dann auch noch.» Am Ende gibt es noch einen Dank des litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda, der Steinmeier begleitet. «Ihre Präsenz bedeutet, es wird kein Krieg hier sein», sagt er auf Deutsch.

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