Ex-Guerillero Petro gewinnt erste Wahlrunde

Der Kandidat für die Präsidentschaft von Kolumbien Gustavo Petro (C) in Bogota. Foto: epa/Mauricio Duenas Castaneda
Der Kandidat für die Präsidentschaft von Kolumbien Gustavo Petro (C) in Bogota. Foto: epa/Mauricio Duenas Castaneda

BOGOTÁ: Einst kämpfte Gustavo Petro gegen den kolumbianischen Staat, nun könnte erstmals ein früherer Guerillakämpfer in den Präsidentenpalast in Bogotá einziehen. Mit dem millionenschweren Unternehmer Rodolfo Hernández hat Petro allerdings einen überraschend starken Gegner bekommen.

Der frühere Guerillakämpfer Gustavo Petro hat den ersten Durchgang der Präsidentenwahl in Kolumbien wie erwartet gewonnen - und das deutlich. Der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá erreichte 40,3 Prozent der Stimmen, wie die Wahlbehörde am Montag nach der vorläufigen Auszählung fast aller Wahllokale bekanntgab. Er hatte in Umfragen durchgehend geführt. Der parteilose Kandidat Rodolfo Hernández ist die Überraschung dieser Runde: Der Ingenieur kam auf 28,1 Prozent. Nun treffen Petro und Hernández in der Stichwahl am 19. Juni aufeinander.

«Petro und Rodolfo fangen im Kampf um den Wandel bei null an», schrieb die kolumbianische Zeitung «El Tiempo». Der rechte Kandidat Federico Gutiérrez, der in Umfragen auf dem zweiten Platz gelegen hatte, könnte dabei der Königsmacher sein. Am Sonntagabend kündigte er seine Unterstützung für Hernández an. Der millionenschwere Bauunternehmer Hernández war Bürgermeister der Großstadt Bucaramanga, verfügt aber über wenige Beziehungen im politischen Bogotá.

Die beiden stärksten Bewerber hatten den Wählern einen Bruch mit dem Weiter-so versprochen. «Heute geht es um den Wandel. Eine Ära geht zu Ende. Jetzt geht es darum, die Zukunft zu gestalten», sagte etwa Petro nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse. «Ich lade dazu ein, mit Geduld und Liebe die Familie, die Gemeinschaft, zu überzeugen, was diese Generation Kolumbien geben kann.»

Geht Petro am 19. Juni als Sieger hervor, würde in der Casa de Nariño in Bogotá erstmals in der jüngeren Geschichte des südamerikanischen Landes ein Linker regieren. Kolumbien ist traditionell konservativ geprägt. Die soziale Kluft ist groß, aber bislang hatte linke Politik durch die Gewalt der Guerillagruppen im jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt einen schlechten Ruf.

Auch Petros Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, die afro-kolumbianische Menschenrechtsaktivistin und Umweltschützerin Francia Márquez, ist ein politisches Phänomen. Die Frau aus einer ländlichen Gegend kämpfte in der von der Gewalt besonders betroffenen Region Cauca gegen illegale Goldsuche und wurde mehrmals bedroht. 2018 erhielt sie für ihren Kampf den renommierten Goldman-Preis.

Hernández zog ebenfalls mit einer afrokolumbianischen Vize-Kandidatin in den Wahlkampf. Marelen Castillo kommt jedoch aus dem Universitätsbetrieb. Die 53-jährige aus Cali studierte zunächst Biologie und Chemie, machte später einen Master als Industrieingenieurin und erwarb in den USA einen Doktortitel in Erziehungswissenschaften. Bevor sie sich als Vizekandidatin bewarb, führte sie zwei katholische Privatuniversitäten.

Kolumbien litt 52 Jahre lang unter einem blutigen Bürgerkrieg zwischen linken Rebellen, rechten Paramilitärs und staatlichen Sicherheitskräften. 220.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. 2016 schloss die Regierung einen Friedensvertrag mit der linken Farc-Guerilla, die Hoffnung auf einen Aufschwung war groß. Doch die Gewalt ist vor allem in ländlichen Gebieten zurück. 300.000 Polizisten und Soldaten waren am Sonntag im Einsatz, um Wähler, Wahlhelfer und Kandidaten zu schützen.

Der künftige Staatschef von Kolumbien steht vor enormen Herausforderungen. Das nach Brasilien bevölkerungsreichste Land in Südamerika leidet unter den Folgen der Corona-Pandemie, der Inflation, unter sozialer Ungerechtigkeit und Gewalt. Petro will im Falle eines Wahlsiegs das marktliberale Wirtschaftsmodell verändern, die Steuern für Unternehmen erhöhen und die Ausbeutung der Bodenschätze zurückfahren.

Hernández verspricht im Falle eines Wahlsiegs eine schlanke Regierung und einen entschlossenen Kampf gegen die Korruption. Sonst ist über seine Pläne recht wenig bekannt. «Heute hat das Land der Berufspolitiker und der Korruption verloren», sagte der 77-Jährige nach der Wahl. «Heute haben die Banden verloren, die glaubten, für immer an der Macht zu sein. Heute haben die Bürger gewonnen, heute hat Kolumbien gewonnen.»

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Ingo Kerp 30.05.22 14:30
Das Wertvollste das Kolumbien hatte, haben die Spanier bereits im 16. Jahrhundert abtransportiert. Heutzutage ist das Wertvollste der Drogenanbau, der die Wirtschaft befeuert. Eine linke Regierung, so hat sich in Südamerika gezeigt, bedeutet gleichzeitig den Niedergang der gesellschaftl. Entwicklung. Es steht zu befürchten, das es dem bevoelkerungsreichen Kolumbien ebenso ergehen wird.