Deutschland im Abseits?

Foto: Orlando Bellini/Fotolia.com
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Es hat den Anschein in diesen Tagen, Deutschland tue sich politisch noch schwerer als im Fußball. Trotzig sitzt die Deutsche Innenministerin Nancy Faeser mit dem Gesicht eines pubertierenden Teenagers bei der WM mit nacktem Oberarm und Armbinde mit politischer Botschaft auf der Tribüne.

Es beschleicht einen das Gefühl, sie macht einen Punkt, der wie bei Abseitsspiel, nicht zählt. Erstaunlich wie gering die Empathie dafür ist, wie groß die Abneigung bei Arabern und anderen auf der Welt gegen den ständigen Versuch des Westens ist, zu bestimmen, wo es langgeht. Die politische Ungeschicktheit der Ministerin bei der Verfolgung ihrer Ziele tut fast körperlich weh.

Blind durch den Nebel

Frau Faeser ist leider nicht die einzige Politikerin in Deutschland, die durch den Nebel irrt. Mit Blick auf Qualifikation und Kompetenz unserer Politiker war die aktuelle Stunde im Bundestag zur „neuen“ China-Strategie ein Panorama des Grauens, unabhängig von der Parteizugehörigkeit der Vortragenden. Man muss den Eindruck gewinnen, unsere Politiker folgen unreflektiert US-Erzählungen, ohne es selbst zu bemerken, übersehen dabei aber ihren eigentlichen Auftrag im Interesse Deutschlands zu handeln. Beispiele: Michael Müller, Ex Regierender Bürgermeister von Berlin, SPD, plappert nach was momentan oft zu hören ist, bei China handele sich nach dem Parteikongress um ein ganz anderes Land als vor zehn Jahren. Was für ein Unsinn! An den Zielen Chinas hat sich null geändert. Diese werden planvoll und geschickt vorangetrieben. Xi hat die Welt vor zehn Jahren gleich zu Beginn seiner Amtszeit auf seine Sicht der Dinge eingestellt. Überrascht hätte man – wenn überhaupt – folglich vor 10 Jahren sein können, aber doch nicht jetzt (FA24/2012).

Johann David Wadephul von der CDU behauptet, China hält die Vereinbarungen bezüglich Hongkongs nicht ein. Ebenfalls nur nachgeplappert. Nachdem der Mann nicht dumm ist, liegt die Vermutung nahe, er hat die einschlägigen Vereinbarungen nie gelesen. Amira Mohammed Ali von der Linken erkennt wenigstens, dass die Entwicklungen des Jahres 2022 Russ­land dauerhaft an China binden und vor allem Deutschland dafür einen hohen Preis zahlen wird. Im März 2014 war in der Kolumne „Europa und die Krim“ im DER FARANG zu lesen: „Wenn Europa in diesem Punkt die bisherige Politik fortsetzt, treibt es Russ­land in die Hände Chinas. Ganz zu schweigen davon, dass den Europäern Sanktionen gegen Russland wahrscheinlich selbst mehr schaden als Russ­land.“ Auch hier folglich für den informierten Beobachter keine Überraschungen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Agniezka Brugger von den Grünen lobt Baerbocks Strategie schon jetzt als „Ausdruck von kluger Weitsicht“. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber man darf gespannt sein, ob sich Deutschland in der Rolle des Erfüllungsgehilfen der USA sieht oder mit Europa eigene Akzente setzen will. Das Jahr 2022 hat die Rollen jedenfalls grundsätzlich bis auf weiteres verteilt: China mit Russland als Juniorpartner sind gesetzt und auch die USA wissen, was sie wollen. Zu klären ist noch, welche Rolle Europa und Indien spielen werden. Prognose: Europa wird nicht die Kraft finden eigene Akzente zu setzen und defacto als Juniorpartner der USA fungieren und Indien könnte das Zünglein an der Waage werden.

Weichenstellung ins Abseits?

Hinsichtlich einer China-Strategie für Deutschland stellt sich auch die Frage, ob diese nicht im Kanzleramt besser angesiedelt gewesen wäre. Klar ist zwar, weshalb man vor Jahrzehnten richtigerweise für diese Fragen das Außenministerium im Blick hatte, heute geht es aber um eine entscheidende Weichenstellung für ganz Deutschland, die nicht nur eine außenpolitische Dimension hat. Wenn Deutschland ernsthaft bei obigen Fragen mitgestalten wollte, bräuchte es neben einer umfassenden China-Strategie auch eine Strategie für den Umgang mit den USA. Sobald Deutschland konkrete eigene Vorstellungen hätte, könnten diese mit Frankreich abgestimmt werden (Macron signalisiert seit fünf Jahren Gesprächsbereitschaft mit eigenen Vorschlägen) und die Dinge könnten doch noch eine positive Wendung nehmen. Alternativ: Deutschland macht weiter wie bisher und spielt sich immer öfter ins Abseits.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting Haus und ist seit 2016 als Chairman einer der ältesten digitalen Marketingagenturen in Südostasien tätig. Feedback zum Gastbeitrag per E-Mail erwünscht!

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