Luxemburg-Wahl verspricht Spannung

Ausgang ungewiss  

Wahlen zum Europäischen Parlament auf dem Bahnhof Luxemburg in Brüssel. Archivfoto: epa/OLIVIER HOSLET
Wahlen zum Europäischen Parlament auf dem Bahnhof Luxemburg in Brüssel. Archivfoto: epa/OLIVIER HOSLET

LUXEMBURG: Eine bunte Dreierkoalition hat Luxemburg in den vergangenen Jahren moderner gemacht. Jetzt wird im zweitkleinsten EU-Land ein neues Parlament gewählt. Ob Bettel Premierminister bleibt, ist offen.

Bei der Parlamentswahl in Luxemburg an diesem Sonntag könnten die politischen Karten neu gemischt werden. Denn vieles scheint möglich. Die Entscheidung, ob der seit fast zehn Jahren regierende liberale Premierminister Xavier Bettel noch einmal die Geschicke des Großherzogtums lenken wird, dürfte - Umfragen zufolge - sehr knapp ausfallen. Darüber hinaus sieht es so aus, als könnten sich etliche der größeren Parteien verschiedene Bündnisse zumindest vorstellen.

Rund 265.000 Wahlberechtigte sind in Luxemburg zur Wahl aufgerufen. Im zweitkleinsten Land der EU mit gut 660.000 Einwohnern gilt Wahlpflicht: Die Beteiligung lag 2018 bei rund 90 Prozent. Zudem sind rund 88.000 im Ausland ansässige Luxemburger wahlberechtigt. Für sie gilt aber keine Wahlpflicht. Bei Verstößen gegen die Wahlpflicht sieht die Gesetzgebung Strafen in Höhe von 100 bis 250 Euro vor. Dem Staatsministerium sind aber keine Fälle der Strafverfolgung bekannt.

«Es ist offen und es bleibt spannend», sagte Politikwissenschaftler Lasse Cronqvist an der Universität Trier kurz vor der Wahl der Deutschen Presse-Agentur. Nach der jüngsten Umfrage sei denkbar, dass es zu einer Neuauflage der bisherigen Dreierkoalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen komme. Allerdings mit neuer Gewichtung: Anders als bei der Wahl 2018 wären dann die Sozialdemokraten die Stärksten im Bunde und nicht mehr die Liberalen, die mit Bettel seit Ende 2013 den Premierminister stellen.

Möglich sei aber auch ein Regierungsbündnis unter Beteiligung der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV), die seit 2013 in der Opposition ist. «Die Christsozialen berappeln sich», sagt Cronqvist. Nach anhaltenden Personalquerelen wiesen sie nun «durchaus Profil auf». Die CSV, die seit 1945 mit nur einer fünfjährigen Unterbrechung durchgehend in Luxemburg regierte, hatte nach der Wahl 2013 mit dem ehemaligen Premierminister und Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker keine Regierungsmehrheit gefunden.

Bettel hat angekündigt, er wolle seine bisherige Politik fortsetzen, und setzte im Wahlkampf auf «Zukunftsthemen» wie Wohnungsbau, Steuerentlastungen und Energiewende. Der Jurist ist in Luxemburg beliebt, laut Umfrage wünscht sich jeder dritte Befragte den 50-Jährigen auch künftig als Premier.

Anders als noch vor ein paar Jahren mag Bettel eine künftige Koalition mit der CSV nicht mehr ausschließen. «Die Schwierigkeiten, die Berührungsängste, die ich vorher hatte mit den Christdemokraten, sind kleiner», sagt er der dpa. «Die Inhalte sind das Wichtigste. Es geht darum, was ich umsetzen kann.»

Die CSV hat sich neu sortiert. Mit dem Juristen Luc Frieden (60) schickt sie einen Spitzenkandidaten ins Rennen, der als versierter früherer Finanzminister bekannt ist. Er will seine Partei zurück in die Regierung bringen und mit mehr Sicherheit im öffentlichen Raum, mehr bezahlbaren Wohnungen und niedrigeren Steuern punkten. Frieden setzt auf eine Zweierbündnis.

Nach der jüngsten Umfrage von Anfang September würde seine Partei CSV mit 28,3 Prozent der Stimmen klar stärkste Partei. Von den Regierungsparteien hätten derzeit die Sozialdemokraten (Luxemburger Sozialistische Arbeiterpartei/LSAP) mit 19,8 Prozent die Nase vor Bettels Liberalen (Demokratische Partei/DP) mit 17,4 und den Grünen (Déi Gréng) mit 10,7 Prozent.

Auf dieser Grundlage wäre eine Neuauflage von «Gambia» - wie die Koalition in Luxemburg nach den Farben der Flagge des westafrikanischen Landes Rot, Blau (Liberale), Grün auch genannt wird - möglich. Demnach käme das Bündnis, das in Deutschland als «Ampel» bezeichnet würde, auf 31 von 60 Sitzen im Parlament. Genauso knapp ist die Mehrheit des Bündnisses derzeit im Parlament. Die CSV ist aktuell mit 21 Sitzen vertreten. Die rechte ADR hat vier Abgeordnete, die Linken und die Piraten jeweils zwei.

Rechnerisch möglich wäre laut Umfrage aber auch ein Bündnis der LSAP mit der CSV (gesamt 32 Sitze). Falls die Sozialdemokraten stärkste Kraft in der «Gambia»-Koalition wären, könnte deren Spitzenkandidatin Paulette Lenert (55), derzeit Gesundheitsministerin und Vizepremier, zur Regierungschefin aufrücken. Verliert «Gambia» die Mehrheit, könnte Lenert auch mit Frieden reden: Schließlich haben CSV und LSAP früher schon viele Jahre lang gemeinsam regiert.

Und weil in Luxemburg fast jeder mit jedem gut auskommen kann, hat auch die Spitzenkandidatin der Grünen, Justiz- und Kulturministerin Sam Tanson, schon öffentliche Signale an die Noch-Opposition gesendet: «Ich schließe eine Koalition mit der CSV nicht aus.» Bettel gibt sich derweil gelassen: «Ich habe die letzten zehn Jahre alle Umfragen verloren und bin noch immer Regierungschef.»

Der 50-Jährige ist mit der Bilanz seiner Regierung in den vergangenen fünf Jahren zufrieden. Wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag seien umgesetzt: ein kostenloser ÖPNV, ein höherer Mindestlohn und die erste Cannabis-Legalisierung. Zudem wurden die Verfassung modernisiert, die Coronakrise überwunden und die Energiekrise gestemmt. Nachholbedarf sieht Bettel bei der Wohnungspolitik. Es brauche in Luxemburg mehr «erschwinglichen» Wohnungsbau.

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