Armenien fordert Klärung des Status von Berg-Karabach

Der russische und der aserbaidschanische Präsident unterzeichnen eine gemeinsame Erklärung über einen Waffenstillstand in Berg-Karabach. Foto: epa/Azerbaidschanischer PrÄsidenten Presse Aus
Der russische und der aserbaidschanische Präsident unterzeichnen eine gemeinsame Erklärung über einen Waffenstillstand in Berg-Karabach. Foto: epa/Azerbaidschanischer PrÄsidenten Presse Aus

ERIWAN: Russische Friedenssoldaten setzen im Konfliktgebiet Berg-Karabach nun die Waffenruhe durch. Moskau gründet dort auch ein humanitäres Hilfszentrum. In Armenien aber herrscht weiter große Unruhe - vor allem auch weil der künftige Status der Region unklar ist.

Armenien hat mit Blick auf die Ankunft russischer Friedenstruppen in Berg-Karabach internationale Verhandlungen über den künftigen Status der Konfliktregion im Südkaukasus gefordert. Es sei dringend nötig, den Status festzulegen, sagte der armenische Präsident Armen Sarkissjan am Freitag in Eriwan. Das Mandat für diese Verhandlungen liege bei Russland, Frankreich und den USA als Co-Vorsitzende der Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Das Anfang der Woche von Russland, Armenien und Aserbaidschan unterzeichnete Abkommen über ein Ende der Kämpfe legt keinen Status der Konfliktregion fest.

Kern der Vereinbarung ist der Einsatz von rund 2000 Friedenssoldaten in Berg-Karabach zur Einhaltung der Waffenruhe. Die meisten von ihnen bezogen bereits Stellung, darunter auch in der von Armenien kontrollierten Hauptstadt Stepanakert und in der von Aserbaidschan zurückeroberten Stadt Schuscha. Das teilte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit.

Russland hatte betont, dass der Status der Region nach der Rückkehr der Flüchtlinge aus Armenien und aus Aserbaidschan nach Karabach geklärt werden müsse. Dabei gehe es auch um ethnische und konfessionelle Fragen, hieß es. In Schuscha trafen nach Medienberichten immer mehr Aserbaidschaner ein. Muslime hielten dort das erste Mal nach 28 Jahren wieder ein Freitagsgebet in der Moschee ab.

Kremlchef Wladimir Putin sagte am Freitag, dass Zehntausende Flüchtlinge zurückkehren würden. Er hoffe, dass die Wortverbindung Berg-Karabach-Konflikt bald Geschichte sei. Zudem wies er die Gründung eines behördenübergreifenden humanitären Hilfszentrums an, das sich um die Rückkehr von Aserbaidschanern und Armeniern kümmern soll. Dort würden Vertreter des russischen Zivil-, des Verteidigungs- und des Außenministeriums sowie des Grenzschutzes arbeiten.

Viele der christlichen Karabach-Armenier lehnten ein Zusammenleben mit den muslimischen Aserbaidschanern ab. Aus Karabach gab es zahlreiche Berichte über Flüchtende aus denjenigen Gebieten, die dem Abkommen zufolge Aserbaidschan übergeben werden sollen. Auf Videos und Fotos war zu sehen, wie Karabach-Armenier ihre Häuser, aber auch Geschäfte in Brand setzten. In Armenien kam es zu Massenprotesten gegen das Abkommen, das viele als Kapitulation werteten.

Der Anführer von Berg-Karabach, Araik Arutjunjan, verteidigte die Initiative für eine Beendigung des Krieges. Er habe den armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan darum gebeten, um den Verlust von Menschenleben und noch größeren Gebieten zu verhindern. Die Karabach-Behörden gaben die Zahl der getöteten Soldaten am Freitag mit 1383 an. Auch Dutzende Zivilisten verloren ihr Leben. Das aserbaidschanische Militär macht mit Blick auf die Zensur während des Kriegsrechts keine Angaben zu den Verlusten in den eigenen Reihen.

Aserbaidschan hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren die Kontrolle über das bergige Gebiet mit etwa 145.000 Bewohnern verloren. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe. In dem neuen Krieg hat sich Aserbaidschan weite Teile des Gebiets zurückgeholt. Das Land berief sich dabei auf das Völkerrecht und sah sich von seinem «Bruderstaat» Türkei unterstützt. Armenien wiederum setzt auf Russland als Schutzmacht.

Nach russischen Angaben kehrten auch Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes nach Stepanakert zurück, um sich um die humanitäre Lage in der Region zu kümmern. Auch Frankreich wolle humanitäre Hilfe leisten, teilte der Élyséepalast nach einem Telefonat von Präsident Emmanuel Macron mit Paschinjan mit. Details dazu blieben aber offen. Macron versicherte die freundschaftliche Verbundenheit mit Armenien und begrüßte die Einstellung der Kämpfe.

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