Rund 85.000 Menschen aus Berg-Karabach bisher geflüchtet

Republik Berg-Karabach
Republik Berg-Karabach" wird im Januar 2024 aufhören zu existieren, sagt der Führer. Foto: epa/Anatoly Maltsev

ERIWAN: Die umkämpfte Kaukasusregion Berg-Karabach hat ihre Auflösung angekündigt. Kriegsgegner Aserbaidschan sowie die bisherige Schutzmacht Russland versprechen den Einwohnern Schutz. Doch viele trauen den Aussagen nicht.

Nach Aserbaidschans Rückeroberung der Konfliktregion Berg-Karabach im Südkaukasus reißt der Strom der fliehenden Bewohner nicht ab. Bis Freitagvormittag seien bereits fast 89.000 Menschen in Armenien angekommen, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) mit. Die Menschen seien ängstlich und blickten sorgenvoll in die Zukunft, sagte Kavita Belani, die UNHCR-Vertreterin in Armenien, per Videolink aus der Hauptstadt Eriwan zu Journalisten in Genf. Sie hätten mit 90.000 Flüchtlingen gerechnet, aber die Erwartungen müssten angepasst werden. Das UNHCR sei auch gerüstet, um 120.000 Menschen zu helfen.

Der Manager der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften in Armenien, Hicham Diab, sagte, viele Ankömmlinge seien zu erschöpft, um über ihre Erlebnisse zu berichten. Sie bräuchten psychosoziale Hilfe, um die Flucht zu verarbeiten. Beide Organisationen appellierten an die internationale Gemeinschaft, Armenien bei der Aufnahme der Geflüchteten finanziell zu helfen.

Die Menschen hätten gezwungenermaßen ihre Heimat verlassen, teilte Regierungssprecherin Naseli Bagdassarjan in Eriwan mit. Nach offiziellen, nicht überprüfbaren Angaben lebten 120.000 Karabach-Armenier in der Region. Das autoritär regierte Aserbaidschan hatte in einer Militäroffensive in der vergangenen Woche die seit Jahrzehnten umkämpfte Region zurückerobert.

Die Führung der international nicht anerkannten Republik Arzach (Berg-Karabach) hatte danach kapituliert und in dieser Woche auch die Selbstauflösung zum 1. Januar 2024 besiegelt. Die aserbaidschanische Regierung sowie Russland, das als Schutzmacht Armeniens gilt, hatten betont, dass es keinen Grund zur Flucht gebe. Allerdings befürchten die Karabach-Armenier Verfolgung und Gewalt durch Aserbaidschan.

In Eriwan warf Regierungschef Nikol Paschinjan dem Nachbarland am Donnerstagabend bei einer Regierungssitzung «ethnische Säuberungen» vor. «Die Analyse der Situation zeigt, dass in den kommenden Tagen in Berg-Karabach kein Armenier mehr sein wird.» In der Vergangenheit hatte es zwischen den christlichen Karabach-Armeniern und den muslimischen Aserbaidschanern Konflikte gegeben.

Nach armenischen Regierungsangaben wurde in der Nähe von Berg-Karabach ein humanitäres Zentrum für die Flüchtlinge eingerichtet. Die Menschen erhielten eine Unterkunft, teilte die Regierungssprecherin weiter mit. Der Menschenrechtsbeauftragte von Berg-Karabach, Gegam Stepanjan, hatte mitgeteilt, dass bei den Kämpfen mindestens 200 Menschen getötet und etwa 400 verletzt worden seien. Auch die aserbaidschanische Seite hatte über Verluste in den eigenen Reihen berichtet.

Die Region ist seit Jahrzehnten zwischen den verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien umstritten. In den 1990er Jahren konnte sich das auf aserbaidschanischem Gebiet liegende, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach mithilfe Eriwans in einem blutigen Bürgerkrieg von Baku loslösen. Dem durch Öl- und Gaseinnahmen militärisch hochgerüsteten Aserbaidschan gelang 2020 eine Rückeroberung großer Teile Berg-Karabachs. Ein von Russland vermittelter Waffenstillstand erwies sich als brüchig.

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