Wie selbst die alten Bäume laufen lernen

In Thailand gilt nicht immer, dass man einen alten Baum nicht mehr verpflanzen kann

Die Plastiksäcke werden entfernt, im Erfolgsfall haben sich ausreichend Wurzeln gebildet, und nun kann eine bereits erwachsene, tragende Pflanze eingetopft werden.
Die Plastiksäcke werden entfernt, im Erfolgsfall haben sich ausreichend Wurzeln gebildet, und nun kann eine bereits erwachsene, tragende Pflanze eingetopft werden.

Die fünf Jahre alten Graviolas stehen plötzlich am falschen Ort. Sie brauchen dringend Sonne, um gut zu gedeihen, doch andere, größere Bäume stehen ihnen nun im Licht. Kann man sie so spät noch versetzen?

Einer der fleißigen Gärtner bei der Arbeit.
Einer der fleißigen Gärtner bei der Arbeit.

Am Anfang war der Betonring: Als wir vor etlichen Jahren anfingen Graviolas zu pflanzen, haben wir etwa 100 Betonringe bestellt (damals hat einer 80 Baht gekostet, heute 90 Baht) und sie darin platziert. Zum einen war der Untergrund, bestehend aus Auffüllmaterial, miserabel und steinhart, zum anderen war die Landschaft kahl, da wuchs nichts. Dank dieser Ringe – und unserer ständigen und direkten Unterstützung mit Wasser und Dünger – haben sie überhaupt überlebt.

Andere Bäume stehen in der Sonne

Heutige Besucher in meinem Garten können sich kaum mehr vorstellen, dass da einmal gar nichts war, denn die meis­ten Pflanzen sind geradezu unglaublich gewachsen. Nun stehen etwa die Taperebas aus Südamerika – wir werden auf diesen hier unbekannten Fruchtbaum im Detail zurückkommen, wenn er demnächst die ersten Früchte liefert – den Graviolas in der Sonne, obwohl die rasant wachsenden Taperebas nur zwei Jahre alt sind. Und dergestalt beschattet, reagieren die Graviolas indigniert, sie liefern keine der leckeren und so gesunden Früchte mehr, sie verkümmern generell. Deshalb wollten wir sie versetzen.

Nun ist das Versetzen alter Bäume natürlich auch in Thailand problematisch. Doch wir haben ein sagenhaftes Schwein gehabt: Die Graviolas haben flache Wurzeln, also keine tiefgehenden Pfahlwurzeln, und sie haben sich mehrheitlich innerhalb der Betonringe breitgemacht, sind nur unwesentlich in die Tiefe gewachsen. Deshalb können meine flei­ßigen Gärtner sie problemlos verschieben, sieht man einmal vom hohen Gewicht ab, denn der Wurzelballen im Ring ist jetzt sehr dicht.

Abmoosen heißt die andere Methode

Dank des festen Wurzelballens kann auch diese stattliche Graviola noch in ein Loch verpflanzt werden.
Dank des festen Wurzelballens kann auch diese stattliche Graviola noch in ein Loch verpflanzt werden.

Eine ähnliche Ausgangslage haben wir bei den veredelten Avocados. Auch sie haben wir in Betonringe gepflanzt und anfangs noch beschattet. Langsam haben wir sie ans volle Sonnenlicht gewöhnt, das sie zum Gedeihen dringend brauchen. Und nun können wir sie – nach nur knapp sechs Monaten haben auch sie einen dichten Wurzelballen gebildet – definitiv setzen. Auch sie haben extrem flache Wurzeln, die sich aber weit verzweigen, und das können sie jetzt, wo sie vom Betonring befreit sind.

Das Problem beim Verpflanzen großer Bäume: das Gewicht.
Das Problem beim Verpflanzen großer Bäume: das Gewicht.

Doch zurück zu den alten Graviolas, denen man auch mit einer anderen Methode Beine machen kann. Sie heißt Abmoosen. Man schneidet am gewählten Stamm vorsichtig die äußerste Rinde weg, bringt darum herum möglichst luftdicht einen Plastiksack an, der gemahlene, leicht feuchte Kokosschale plus Pflanzen-Vi­tamin B enthält. Innerhalb von etwa drei Monaten bilden sich dann Wurzeln, wenn man die Sache richtig macht. Schließlich schneidet man den gewählten Ast ab und topft ihn ein.

Der Vorteil dieser Art der vegetativen Vermehrung: Man kürzt die Latenzzeit ab. Diese so gewonnenen Bäume tragen sofort Früchte, und man kann besonders wohlschmeckende und ertragreiche Sorten züchten und vermehren. Diese Bäume sind in Thailand momentan sehr gesucht und haben stolze Preise. Der Thai-Schwager hat sie nicht im Angebot auf dem Markt in Nordpattaya, er verkauft sie nur auf Anfrage.

Hans Fritschi, Jahrgang 1957, ist ehemaliger Journalist und Buchautor, er lebt seit 1991 in Thailand. Mehrere Monate des Jahres reist er in der Welt herum, den Rest verbringt der Hobbygärtner in Pattaya und Nong Khai. Falls Sie Fragen und Anregungen an unseren Gartenkolumnisten haben, oder seinen Garten mal anschauen möchten, schicken Sie ihm eine E-Mail: hansfritschi1957@gmail.com oder besuchen Sie seine Webseite: www.discovery-garden.net.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.