Die EU (Europäische Union) ist seit vielen Jahren aus unterschiedlichsten Gründen in der Kritik. Für die meisten Menschen erschließen sich Sinn und Zweck des Bürokratie-Monsters nicht wirklich. Sie interessieren sich nicht für Brüssel und gehen auch nicht zur Wahl des EU Parlaments. Wo stehen wir mit dem Projekt EU?
Fest steht, die Gründerväter der europäischen Einigung hatten die besten Absichten. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg war die oberste Priorität für Männer wie Konrad Adenauer, Jean Monnet oder auch Winston Churchill, Kriegstreiberei ein für alle Mal zu unterbinden. Die EU war ein Friedensprojekt für ganz Europa. Heute, fast sieben Jahrzehnte später wird diese Tatsache gerne als Totschlagargument missbraucht, um jegliche Kritikpunkte an der Union von vorneweg als unzulässig vom Tisch zu wischen. Tatsächlich ist dieses Argument allerdings in der heutigen Zeit nicht mehr gültig, denn wer glaubt denn ernsthaft, dass es ohne die EU wieder Krieg in Europa geben würde?
Aber lassen wir das einmal dahingestellt. Die EU hat im Kern zwei Probleme: Zum einen hat sie sich nicht weiterentwickelt. Der Kick-Off durch die Gründerväter hat gepasst, den Politiker-Generationen der letzten Jahrzehnte ist es allerdings nicht geglückt, die Einigung Europas zu einem Projekt der Herzen zu machen. Die allermeisten der Politiker konzentrierten sich ausschließlich darauf, in Ihrem jeweiligen Heimatland gut auszusehen und dort die nächsten Wahlen zu gewinnen. Das Projekt Europa lief irgendwie mit oder besser nebenher, hat aber nicht die Aufmerksamkeit erfahren, der es bedurft hätte.
Offensichtliches Demokratiedefizit
Zum zweiten ist bei der Union ein schwerwiegendes Demokratiedefizit offensichtlich. Martin Schulz, Präsident des EU Parlaments, gibt offen zu, dass die EU – wäre sie ein Staat – nach den Regeln der EU nicht in die EU aufgenommen werden könnte. Noch deutlicher wird Jean-Claude Juncker, Chef der mächtigen EU Kommission, der sich wie folgt äußert: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter“. Bei allem Verständnis für Pragmatismus in der Politik muss klar sein, dass diese Sichtweise nicht gerade das Vertrauen der Bevölkerung in die europäischen Institutionen fördert. Aktuelles Beispiel: Vor einigen Tagen äußerte sich Juncker hinsichtlich des Freihandelsabkommens mit Kanada zuversichtlich, dass die Zustimmung der Wallonie und anderer belgischer Landesteile zu erreichen sei. Die EU hatte etwas beschlossen und in den Raum gestellt, die Regionen sagten Nein. Im Ergebnis setzten sich die Regionen durch. Bravo!
Je genauer man sich mit der EU befasst, desto größer erscheinen die Sonderbarkeiten. Die Körperschaften Rat und Kommission, sowie ein Parlament das keine Gesetze macht, scheinen schwer mit demokratischen Prinzipien in Einklang zu bringen zu sein, sondern erinnern mehr an die ehemalige Sowjetunion. Die Ergebnisse sind (leider) entsprechend.
Fast kurios wird es regelmäßig, wenn seitens der EU Missstände präsentiert werden, die sie seit Jahrzehnten hätte beseitigen können. Der normale Mensch begreift nicht, was 50.000 Beamte in Brüssel, von denen zehn Prozent mehr verdienen als die Bundeskanzlerin, eigentlich machen. Als Konsequenz wächst die Versuchung – wie in England – es doch wieder auf eigene Faust und ohne EU zu probieren.
Wenn das Projekt Europäische Union noch gelingen soll, ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich. Neben Entbürokratisierung gilt es vor allem die Menschen in Europa stärker mit einzubeziehen und vernünftige Politikalternativen anzubieten, in denen sich der einzelne Wähler mit seinen Sorgen und Nöten auch wiederfinden kann. Geschieht dies nicht, ist die weitere Stärkung nationaler Kräfte in einzelnen Ländern wahrscheinlich sowie ein Auseinanderfallen der Europäischen Union nicht ausgeschlossen.
Über den Autor Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Feedback erwünscht! Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:E-Mail: cr@cr-management-consulting.com Webseite: www.cr-management-consulting.com Telefon: +66 32 512 253 |