Jackfrüchte

Es war einmal ein Mönch. Er hatte schon viele Jahre dem Orden angehört und war darüber alt geworden. Besonders klug war er nicht, und das Lernen hatte er längst aufgegeben. Aber in alter Zeit gab es im Kloster noch keinen Zwang zur Gelehrsamkeit. Den Regeln und Vorschriften brauchte der Klostermann noch nicht so streng zu folgen wie heutzutage.

Der Altmönch aß um sein Leben gern Jackfrüchte. Wenn er am frühen Morgen mit seiner Almosenschale loszog, suchte er sich mit Vorliebe jene Häuser aus, in deren Gärten er zuvor Jackbäume mit reifen Früchten gesehen hatte. Dort machte er mit dem Bettelnapf die Runde, bis die Bäume abgeerntet waren.

Eines Tages begegnete der alte Mönch einem Bauern, der gerade damit beschäftigt war, mit dem Erntekörbchen am Ende einer langen Bambusstange die Früchte am Baume zu schütteln, ob sie wohl schon reif seien. Am nächsten Morgen kam der Alte mit seiner Almosenschale zu jenem Hause, aber es zeigte sich, dass der Bauer ihm keine Jackfrucht in die Schale legte. Der Mönch strich noch eine Weile um den Garten herum und atmete den süßen Duft der reifen Jackfrüchte begehrlich ein. Ein mächtiger Heißhunger bemächtigte sich seiner. Diese Früchte musste er haben!

Auf dem Rückweg zum Tempel dachte er sich eine List aus, wie er es anstellen sollte, dieser herrlichen Früchte teilhaftig zu werden.

Als der Abend kam, begab sich der Mönch abermals zu jenem Hause. Er trat wie von ungefähr in den Garten, denn er wollte den Bauern besuchen. Die Leitertreppe stieg er hinauf und sprach zu ihm:

"Freund, zu meinem Tempel ist es noch weit. Vor Dunkelheit schaffe ich den Weg nicht. Bitte lass mich heute bei dir übernachten. Morgen früh gehe ich weiter.”

Der Bauer legte in Verehrung die Handflächen aneinander und hieß den Altmönch willkommen. Er möge vorliebnehmen und die Nacht dableiben:

"Ich bitte dich, Großvater, teile mit mir die Kammer!”

Aber der Mönch schüttelte den Kopf und erwiderte:

"Freund, in deiner Kammer brauchst du mich nicht zu beherbergen. Es ist Sommer. Hier auf dem luftigen Lattenboden will ich bleiben. Draußen ist es kühler und angenehmer als drin. Noch ist die Regenzeit fern. Mach’ dir mit mir keine Umstände!”

Der Bauer rollte also eine Matte aus, stellte einen Krug Wasser hin und den Spucknapf dazu. Dann unterhielten sich die beiden noch ein Weilchen. Als es Zeit war, zog der Bauer sich zurück und ging schlafen. Der Mönch streckte sich aus auf der Matte.

Um Mitternacht, als im Dorf alles schlief, erhob er sich von seinem Lager, ergriff sein Handmesser, schlich sich aus dem Gehöft und hockte sich bei dem Jackfruchtbaume nieder, um zu lauschen. Dann trennte er eine nach der anderen die reifen Früchte ab, bis keine mehr übrig war, und aß sie alle auf. Er hatte es eilig. Damit der Bauer nicht merkte, dass sein Gast es gewesen, der die Früchte gestohlen, verschluckte er mit dem Fruchtfleisch zusammen auch die Kerne. Bald darauf legte er sich satt, glücklich und zufrieden wieder schlafen.

Als der Morgen dämmerte, bekam der Alte Bauchschmerzen. Sein Leib krümmte sich, und in den Eingeweiden rumorte es bedenklich. Er hatte Durchfall und musste dringend austreten. Aber er fürchtete sich vor den Hunden unter dem Hause, denn sie würden ihn unweigerlich verbellen, und dann würde der Bauer kommen und sofort erkennen, dass er die Früchte gestohlen und aufgegessen hatte. Da war guter Rat teuer. Schließlich schlich der Mönch sich in die Küche und tastete mit den Händen nach irgendeinem Behälter. Er fand das Bambuskörbchen mit dem Feuerzeug, hielt es sich unters Gesäß und erleichterte sich. Schon war das Körbchen voll, aber das Bauchgrimmen war geblieben. Er ertastete an der Wasserstelle den großen bauchigen Krug mit frischem Badewasser. Das Schöpfgefäß aus einer Kokosschale schwamm darauf. Er ergriff es, hielt es sich unter, und im Nu war es gefüllt. Dann strebte er kriechend zu seiner Matte zurück.

Der Bauer hatte das Knarren und Knacken der Dielenbretter gehört. Das kam ihm sonderbar vor, und er erhob sich. Der Mönch hörte ihn kommen und verbarg sich in der dunklen Küche, indem er auf den Räucherbalken kletterte. Die ungewohnte Bewegung hatte sein Gedärm wiederum in Aufruhr versetzt, rasch wickelte er sein Gürteltuch ab und versuchte, für seines Leibes Öffnung einen Pfropf zu drehen. In der Eile ließ er das Ende des Tuches fahren, und da hing es zum Herde hinab, während er oben auf dem Balken hockend den Pfropf mit den Händen an seinem Platz zu halten trachtete. Der Bauer kam in die Küche und tastete nach dem Körbchen mit Werg und Funkenstahl zum Feuermachen. Er fand es, griff hinein und wunderte sich: das Feuerzeug lag unter einem Haufen breiigem Kot. Besudelt zog er seine Hand zurück. Der Ekel drehte ihm den Magen um. Er griff nach der auf dem Wassergefäß schwimmenden Kokosschale und schüttete sich den Inhalt über die Hand. Da merkte er, dass auch das Schöpfgefäß voll flüssigen Kotes gewesen. Sein Mund stieß einen kräftigen Fluch aus, während er nach dem Lappen griff, der vom Herdbalken inmitten der Küche herabhing. Er zog ihn mit einem Ruck zu sich herab – da ergoss sich ihm ein übelriechender Sturzbach über Kopf, Gesicht und Brust. Von Darmschleim triefend stand er da.

Der alte Mönch wusste nun, dass er schleunigst Reißaus nehmen sollte. Lebensgefäh­rlich wäre es, länger zu säumen. Er sprang von seinem Balken und floh zum Hause hinaus und über die Leitertreppe hinab. Die Hunde unter dem Hause rannten ihm hinterher, um ihn zu fassen. Er hielt auf den Bambuszaun der Umfriedung zu und versuchte, darunter durchzuschlüpfen, stieß aber unsanft mit dem Kopfe an das Querholz und steckte fest. Nicht vorwärts ging es und nicht zurück. Die Hunde waren inzwischen herangekommen und schnappten nach ihm. In panischer Furcht suchte er freizukommen, aber es gelang ihm nicht. Statt dessen öffneten sich die Schleusen seines Leibes, und seine Mönchskutte durchtränkte sich mit bräunlicher Brühe. Die Hunde rissen an der Kutte und zogen sie ihm in Fetzen von den Schultern. Laut bellend rannten sie mit ihrer Beute davon, fürchteten sie doch, ihr Opfer könnte mit Steinen nach ihnen werfen. Der Altmönch stand mühsam auf, und nachdem er sich aus den Bambuslatten des Zaunes befreit hatte, humpelte er, so schnell es ging, zu seinem Tempel zurück.

Als es Tag war, sah sich der Bauer die Bescherung an. Das ganze Haus war vom Kote besudelt. Überall schwammen die Kerne der Jackfrucht in stinkendem Sud. Die Hunde lagen mit geschwollenen Nasen und hervorquellenden Augen im Schatten unter dem Hause und hechelten.

Von diesem Tage an hat keiner von ihnen den Mönch wiedergesehen.

Unsere Dorfgeschichten sind dem hübsch illustrierten Buch "Der Reiche und das Waisenkind" entnommen, herausgegeben von Christian Velder (Foto). Der deutsche Philologe mit Wohnsitz in Chiang Mai hat über viele Jahre thailändische Volkserzählungen übersetzt und gesammelt. Das Buch mit 120 Geschichten kostet 680 Baht. Velders Buch "Der Richter Hase und seine Gefährten" enthält reich illustrierte Volkserzählungen. Der kleine und zerbrechliche Hase gilt in Südostasien als ein Tier von Klugheit und List. Das Buch kostet 480 Baht. Beide Bücher sind im FARANG-Medienhaus erältlich.
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