Zeitungen zum Geschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zum Atomausstieg vor einem Jahr

Atomkraftwerke abzuwracken und zugleich den Kohleausstieg anzupeilen, während der Strombedarf wegen der Elektrifizierung von Heizungen und Verkehr absehbar enorm ansteigen wird, ist für einen Industriestandort eine ziemlich riskante Wette auf die Zukunft.

Auch der Bundesrechnungshof hat unlängst die Versorgungssicherheit angezweifelt. Fazit seiner Mängelrüge: "Die Energiewende ist nicht auf Kurs." Der Netzausbau und die Installation von Windrädern hinkt dem Bedarf hinterher. Zudem mangelt es an sogenannten Back-up-Kapazitäten, die dann Strom liefern, wenn Flaute herrscht und keine Sonne scheint. Insofern bedeutet ein Jahr ohne Atomstrom noch lange nicht, dass Deutschland sich aus dem Atomzeitalter verabschiedet hätte. Das ist eine grüne Illusion.


«Münchner Merkur» zu Thyssenkrupp/Ampel

THYSSENKRUPP, STIHL, MIELE: Das Who is Who der deutschen Industrie verabschiedet sich.

Den Kanzler sollte das nicht verwundern. Die Wirtschaftsführer haben ihm die Dramatik der Lage zuletzt wiederholt geschildert. Doch Olaf Scholz, der selbst ernannte "Friedenskanzler", lebt weiter in seiner Traumwelt vom "grünen Wirtschaftswunder", die er sich ebenso selbst gezimmert hat. Die schrillen Warnungen der Arbeitgeber tat er vor den fassungslosen Industriekapitänen mit der spöttischen Bemerkung ab, die Klage sei eben das Lied des Kaufmanns. Mehr Realitätsverweigerung geht kaum Wichtiger als die Überwindung der Wirtschaftsschwäche ist der Ampel die Überwindung des biologisches Geschlechts per Selbstbestimmungsgesetz. Doch werden SPD, Grüne und FDP eine Gesetzmäßigkeit nicht aus den Angeln heben können: Entweder löst die Regierung die Probleme - oder die Probleme suchen sich eine neue Regierung.


«Neatkariga Rita Avize»: Neue Weltordnung ganz nach Huntington

RIGA: Die lettische Zeitung «Neatkariga Rita Avize» beschäftigt sich am Freitag mit der weltpolitischen Lage:

«Der Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in China in dieser Woche und die gemeinsame Erklärung der französischen und britischen Außenminister, Stéphane Séjourné und David Cameron, vergangene Woche zur Schaffung einer neuen «Entente» haben die Konturen der neuen globalen Konfrontation klarer umrissen: auf der einen Seite steht die europäische Zivilisation mit ihren demokratischen Werten und auf der anderen Seite die asiatische Zivilisation mit ihrem hierarchischen Regierungsmodell.

Auch wenn Sie sich nicht auf Samuel Huntington berufen möchten, der in den vergangenen Jahrzehnten stark in die Kritik geraten ist: Bisher läuft alles nach seinen Vorhersagen. Man kann natürlich argumentieren, dass nicht alles so vereinfacht ist, wie es in Huntingtons berühmtestem Werk «Kampf der Kulturen» beschrieben wird. Und auch das Gegenteil ist nicht der Fall. Aber das sind nur Nuancen. Insgesamt ist es offensichtlich, dass sich der entscheidende Kampf, nennen wir ihn mal so, zwischen der Demokratie des Westens und dem Despotismus des Ostens anbahnt.


«Times»: Gericht sollte Lösungen gegen Klimakrise nicht diktieren

LONDON: Die britische Zeitung «Times» kommentiert am Freitag den Erfolg von Klimaschützern vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR):

«Mit dem Urteil hat ein internationales Gericht zum ersten Mal über Verpflichtungen von Regierungen im Hinblick auf die Klimakrise entschieden. Es legt sogar fest, welche Schritte Verwaltungen unternehmen müssen, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen: eine konkrete Frist, um Klimaneutralität zu erreichen, einen Weg dorthin und die Vorlage von Beweisen, dass das betreffende Land Fortschritte macht.

Diese wegweisende Entscheidung öffnet die Schleusen für rechtliche Auseinandersetzungen, die sich in der ganzen Welt zusammengebraut haben, an nationalen wie internationalen Gerichten. Sie übernimmt faktisch die Kontrolle über einen ganzen Bereich öffentlicher Politik und unterstellt ihn der Kontrolle von Richtern, und zwar ausländischen. Das ist eindeutig nicht hilfreich.

Während die Gefahren der globalen Erwärmung nicht in Zweifel stehen, gibt es verschiedene Methoden, sie zu bekämpfen. Sie sollten ein Ergebnis öffentlicher Debatte sein, nicht Lösungen, die Richter aus Straßburg per Diktat verhängen.»


«Lidove noviny»: EU-Asylreform sorgt für Spannungen

PRAG: Zum geplanten Asyl- und Migrationspakt der EU schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Freitag:

«Wie immer in der Europäischen Union handelt es sich um einen Kompromiss. Doch diesmal passt dieser Kompromiss kaum jemandem. Statt zur Beruhigung beizutragen, sorgt er in Europa an vielen Orten für Spannungen und spaltet unter anderem die Regierungskoalition in Tschechien. (...) Länder mit weniger Migranten sollen künftig Flüchtlinge aus Staaten übernehmen, wo es mehr Schutzsuchende gibt, oder zahlen. Zufrieden sein können daher Mittelmeeranrainer wie Italien und Griechenland. Denn es wird spekuliert, dass Mitgliedstaaten wie Tschechien, obwohl sie viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben, nach einiger Zeit Gelder an die EU-Südstaaten zahlen müssen, weil diese von Neuankömmlingen aus Afrika überschwemmt werden. Für Komplikationen sorgt dabei, dass die Ukrainer nur für eine gewisse Zeit bei uns bleiben wollen und keinen Asylantrag stellen.»


«Jyllands-Posten»: Tabu-Zeit in globaler Sicherheitspolitik vorbei

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Freitag die japanische Verteidigungspolitik:

«Das Land der aufgehenden Sonne war lange Zeit ein schlummernder Riese in der Militärpolitik, aber unter dem Einfluss des aggressiven Kurses Russlands - und der Unterstützung des Abenteurertums Moskaus durch das benachbarte China - hat Tokio seine Haltung in den letzten 18 Monaten drastisch geändert.

Nach Februar 2022 hat der Krieg Russlands in der Ukraine und die Rolle, die Peking bei der Unterstützung des Kremls gespielt hat, die Japaner wirklich getroffen.

Das Bündnis zwischen Tokio und Seoul und den USA stellt zwar eine Art Sicherheitsgarantie dar, doch obwohl Washington Asien als eine Schlüsselachse seiner Außenpolitik betrachtet, herrscht unter den verbündeten Ländern, ähnlich wie in Europa, eine wachsende Unsicherheit darüber, was dies in der Praxis bedeutet.

Japans neuer Kurs unterstreicht, dass die Zeit der Tabus in der globalen Sicherheitspolitik überall vorbei ist, aber auch, dass eine entschiedene Linie in diesem Bereich in relativ kurzer Zeit große Veränderungen bewirken kann.»


«Wall Street Journal»: Bruch mit Israel ist Einladung für den Feind

NEW YORK: Nach zuletzt deutlicher Kritik an Israels Kriegsführung im Gazastreifen haben die USA angesichts drohender Vergeltungsschläge seitens des Irans ihren «eisernen» Beistand zu Israel bekundet. Dazu schreibt das «Wall Street Journal»:

«Einen Verbündeten im Krieg allein zu lassen ist eine Einladung für dessen Feinde. Der Iran ist eine opportunistische Macht, die sich Israels Zerstörung verschrieben hat. Und seine Drohungen sind eskaliert, seit Israel dessen Terrorboss am 1. April in Syrien ausschaltete. (US-Präsident Joe) Biden und die Demokraten haben Amerika dennoch weiter auf Abstand zu Israel gebracht. Die Biden-Regierung mag gedacht haben, dass ihr Anti-Israel-Schwenk die Kämpfe beenden würde, hat aber das Risiko eines noch größeren Krieges mit dem Iran erhöht. (...)

Der verspätete Ton-Wechsel beim Weißen Haus ist willkommen, wäre aber effektiver, wenn er der Beginn von Bemühungen wäre, Bidens Bruch mit Israel zu reparieren. Der Präsident kann auf eine Invasion der letzten Hamas-Hochburg Rafah (...) schimpfen oder zu seiner ursprünglichen Haltung bezüglich der Stadt zurückkehren und daran arbeiten, Israels Plan zur Evakuierung von Zivilisten zu verbessern. Taktische Uneinigkeiten bleiben, aber ein öffentlicher Bruch mit Israel wird vermutlich keinen Einsatz in Rafah verhindern.»


«Corriere della Sera»: Im deutschen TV fiel letztes Tabu

MAILAND: Zu dem Fernsehduell zwischen Thüringens CDU-Chef Mario Voigt und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Freitag:

«Und der «Reichskanzler» war endlich im Fernsehen. Im allerersten Duell des deutschen Fernsehens im Studio des TV-Senders Welt betitelte der Thüringer CDU-Vorsitzende Mario Voigt seinen Gegner Björn Höcke von der AfD als «Reichskanzler». Und er bekam als Antwort: «Jetzt werden Sie aber radikal-populistisch.» So fiel im Studio von Axel Springer das letzte Tabu. Eine Konfrontation zwischen einem traditionellen Politiker und einem AfD-Extremisten. Mehr noch, mit einem Vertreter seines radikalsten, offen neonazistischen Flügels. Höcke, der sich für die sogenannte Remigration einsetzt (...), steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes wegen verfassungsfeindlicher Ideen, so rassistisch sind sie.

Doch Höcke ist kein Politiker, den man auf die leichte Schulter nehmen sollte. In Thüringen, wo die Wahl am 1. September stattfindet, liegt er in den Umfragen weit vorn. (...) Gegen alle Ratschläge und nach zwei Monaten landesweiter Debatte nahm Voigt das fatale Duell an. Die Umfragen werden zeigen, ob sich das Wagnis gelohnt hat. Politische Gegner kritisierten die Initiative mit dem Argument, dass rassistischem Gedankengut jede Plattform verweigert werden sollte. Die SPD riet den Deutschen, Netflix zu schauen. Auch die CDU argumentierte einst in diesem Sinne. Angela Merkels Maxime lautete: Niemals mit der rechten AfD reden. Wie so viele Vermächtnisse der Kanzlerin ist auch dieses missachtet worden.»


«Rzeczpospolita»: Das Recht auf Abtreibung ist kein Zwang

WARSCHAU: Zur Debatte über eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Polen schreibt die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» am Freitag:

«Wer eine Schwangerschaft abbrechen will, tut dies ohnehin - es ist alles eine Frage des Preises. Es ist naiv zu glauben, dass wir mit einem Verbot etwas aus der Welt schaffen, das manche von uns für verkehrt halten. So funktioniert es nicht. Deshalb sollten wir nicht darüber sprechen, ob eine Frau das Recht hat, über ihr Leben zu entscheiden, sondern darüber, wie wir ihr in diesem schwierigen Moment - denn die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch ist immer schwierig - ein Höchstmaß an Sicherheit und Seelenfrieden bieten können.

Auch sollten wir der Frau ermöglichen, ohne Angst Ärzte um Hilfe zu bitten, falls Komplikationen auftreten. Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ist kein Zwang. Wenn eine Frau ihre Schwangerschaft nicht abbrechen will, wenn die Abtreibung ihrer Weltanschauung und ihren Werten widerspricht, muss sie es nicht tun. Aber wir sollten ihr nicht das Recht nehmen, ihre eigene Entscheidung zu treffen. Es geht schließlich um ihren Körper und ihr Leben. Nicht jede Frau wird sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, auch wenn dieser legal ist.»

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