Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu Suche/Atommüll-Endlager

Bis 2031 soll ein Standort gefunden und vom Bundestag beschlossen worden sein, 2050 soll das Lager in Betrieb gehen.

Eine Jahrhundertaufgabe wäre damit in Angriff genommen, und unser demokratisches System ist stabil genug, sie auf nationaler Ebene gut zu lösen. Unseren Atommüll sollten wir nicht in Sibirien oder in der Sahara verklappen. Wir sollten ihn "für immer" sicher verstauen. Wahlen werden mit dem Thema nicht zu gewinnen sein. Ein einmal gewählter Standort wird für Jahrzehnte als Baustelle und Betriebsstätte die negativen Folgen der Auswahl spüren. Und jede neue Industrieansiedlung - siehe Tesla in Brandenburg - zieht Proteste auf sich. Das Lager könnte aber auch als Chance wahrgenommen werden, da es Jobs schafft und ein Projekt der Zukunft ist. Das könnten verantwortungsbewusste Politiker herausstreichen. Noch erheben sie lieber Einwände oder ducken sie sich weg. Bei der Pressekonferenz am Montag waren weder Kanzlerin noch Bundesumweltministerin anwesend. Sie überließen Behördenleitern das Feld - schade.


«Corriere della Sera»: 30 Jahre alter Krieg im Kaukasus ist zurück

ROM: Zur Eskalation des Konflikts in der Unruheregion Berg-Karabach im Südkaukasus zwischen Armenien und Aserbaidschan schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Montag:

«Der 30 Jahre alte Krieg ist zurück. Armenier gegen Aserbaidschaner. Christen gegen Muslime. Pro-Russen gegen Pro-Türken. Der längste Konflikt, der seit dem Ende der UdSSR vererbt wurde, ist zurückgekehrt - und der am meisten verdrängte. Für die Welt sichtbar geworden ist er 1988, als die Mauer und Berg-Karabach noch nicht gefallen waren, da lehnten 143.000 armenische Einwohner, weit weniger als halb Sardinien, eine «von Stalin auferlegte Aserbaidschanisierung» ab, um sich ihrer Mutter Armenien anzuschließen. Das ging zunächst mit 30.000 Toten weiter, dann mit dem kleinen Frieden von 1994 und schwelte in den vergangenen 30 Jahren, während rund herum die Brände in Tschetschenien und Georgien, Dagestan und der Ukraine angezündet wurden. Bis zur einer Krise mit 200 Toten aus dem Jahr 2016.»


«Kommersant»: Armenien und Aserbaidschan stehen vor einem neuen Krieg

MOSKAU: Zur Gewalteskalation zwischen den verfeindeten Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan schreibt die russische Tageszeitung «Kommersant» am Montag:

«Armenien und Aserbaidschan haben am Sonntag an der gesamten Frontlinie in Berg-Karabach umfassende Kampfhandlungen betrieben und stehen kurz vor einem neuen Krieg. Die Kriegsmobilisierung in den beiden Ländern und die radikalen Erklärungen der Anführer beider Länder zeugen von ihrer Entschlossenheit. Sie befinden sich in einer völligen diplomatischen Sackgasse und wollen Tatsachen schaffen. In dieser Situation kann Moskau eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung zwischen den beiden Seiten spielen. Es gab auch bereits Telefongespräche mit den Vertretern der Konfliktparteien. Der russische Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow nahmen das schon in die Hand.»


«Jyllands-Posten»: Gegen Verschwörungstheorien helfen nur Argumente

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Montag in der Corona-Krise kursierende Verschwörungstheorien:

«Die Welt wird von verborgenen Mächten und pädophilen Netzwerken gesteuert: Mehr und mehr Menschen glauben an Verschwörungstheorien. Diese gewinnen während der Corona-Krise an Boden. Der wachsende Glaube an Verschwörungstheorien ist dabei nicht bloß ein amerikanisches Phänomen. In vielen europäischen Großstädten sind in jüngster Zeit Tausende auf die Straße gegangen, um gegen 5G, Mund-Nasen-Schutz, Impfstoffe und das staatliche Handeln während der Corona-Krise zu demonstrieren. Was die aktuelle Entwicklung besonders gefährlich macht, ist, dass die Theorien in einer Zeit kommen, in der die sozialen Medien ein vollkommen ungefiltertes Forum zum Teilen von was auch immer sind. Man sollte all das ernst nehmen, und auch wenn das naiv klingen mag, so ist die einzige Medizin, sich dem mit sachlichen, rationellen Argumenten entgegenzustellen.»


«Latvijas Avize»: Große Ambitionen, mäßige Erfolge

RIGA: Vor dem anstehenden Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Lettland befasst sich die national-konservative lettische Zeitung «Latvijas Avize» am Montag mit dessen bisheriger Amtszeit:

«Macron wurde Präsident im Alter von nur 39 Jahren - und damit zum jüngsten Staatsoberhaupt Frankreichs. Allein diese Tatsache sichert ihm einen Platz in der jüngsten politischen Geschichte seines Landes. Doch als Hinterlassenschaft eines echten Staatsmannes wird dies für ihn viel zu wenig sein. Macron ergriff die Zügel der Macht mit jugendlichem Eifer, festem Griff und beträchtlichem Ehrgeiz. Doch bislang alles andere als wirklich erfolgreich. Bis zur nächsten Präsidentschaftswahl in Frankreich im Jahr 2022 bleibt noch Zeit. Er muss sich jedoch beeilen und auch auf einen erfolgreichen Zufall hoffen.

Macrons schicksalhafte Gelegenheit, Paris zum Machtzentrum Europas zu machen und die Aufmerksamkeit zu erhalten, die Berlin seit vielen Jahren geschenkt wird, und dann auch die Zukunft der EU erheblich zu verändern, könnte schon im kommenden Jahr kommen. Denn dann wird Bundeskanzlerin Angela Merkel am Ende ihrer laufenden Amtszeit (...) kein hochrangiges politisches Amt in Deutschland mehr bekleiden.»


«De Standaard»: Rechtsruck des obersten US-Gerichts

BRÜSSEL: Zur Nominierung von Amy Coney Barrett als Richterin am Obersten Gericht der USA heißt es am Montag in der belgischen Zeitung «De Standard»:

«Konservative Christen reiben sich die Hände, seit US-Präsident Donald Trump am Samstagabend im Rosengarten des Weißen Hauses Amy Coney Barrett als Nachfolgerin der verstorbenen Ruth Bader Ginsburg nominierte. Damit wird zwar eine Frau Nachfolgerin einer Frau, aber politisch gehört sie zum entgegengesetzten Spektrum. (...)

Frühere Urteile und Meinungsäußerungen Barretts deuten in der Tat darauf hin, dass Trump sich für die Kandidatin mit der größten Garantie für eine konsequente Unterstützung der konservativen Agenda entschieden hat. Ganz sicher kann man zwar nie sein, denn Richter sind keine Marionetten. Aber Barrett ist - abgesehen von ihren intellektuellen Fähigkeiten - vor allem wegen ihrer Weltanschauung ausgewählt worden. Dieses Weltbild lässt einen historischen Rechtsruck des Obersten Gerichtshofs vermuten bei Themen wie Waffenbesitz, Immigration, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, Rechte von Lesben, Schwulen und Transgendern, Klimawandel, Gesundheitswesen und vor allem beim Streitthema Abtreibung.»


«La Vanguardia»: Barrett-Nominierung als Wahlstrategie von Trump

MADRID: Zur Nominierung von Amy Coney Barrett als Richterin am Obersten Gericht der USA schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Montag:

«Die Dringlichkeit, mit der der Präsident (Donald Trump) noch vor den Wahlen im November die Bestätigung von Barrett erreichen möchte, ist Teil einer sehr klaren Wahlstrategie. Trump heizt seit Wochen die politischen Spannungen an, indem er sich weigert, einen friedlichen Übergang zu garantieren, falls er verlieren sollte. Seine wiederholten und unbegründeten Anschuldigungen, dass die Briefwahl Betrug sei, lassen ihn zu dem Schluss kommen, man werde aus diesem Grund gegebenenfalls vor den Obersten Gerichtshof ziehen. «Und deshalb ist so wichtig ist, dass wir neun Richter haben», sagt er. (...) Damit stellt Trump sicher, dass der Oberste Gerichtshof auf seiner Seite sein würde, falls am Ende die Justiz entscheiden muss, wer der Sieger der Präsidentenwahl ist.»


«The Times»: China vergrößert Einfluss mit «Schuldendiplomatie»

LONDON: China bietet Staaten günstig erscheinende Kredite für die Entwicklung ihrer Infrastruktur an. Dazu meint die Londoner «Times» am Montag:

«Seit dem Aufstieg zur wirtschaftlichen Supermacht innerhalb einer Generation ist China in der «Schuldendiplomatie» aktiv, der Kreditvergabe an kleinere Länder mit dem Ziel, Einfluss zu gewinnen. (...) Chinesische Kredite für dringend benötigte Häfen, Straßen, Brücken, für die Telekommunikation und für Ölterminals gibt es ohne die Auflagen, die westliche Investoren damit verbinden. Und oft sind sie kommerziell nicht rentabel, sondern aus Pekings staatlichem Budget für Auslandshilfe subventioniert.

Länder wie Sri Lanka können ein bitteres Lied davon singen, was geschieht, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Schulden zu begleichen. Das Land wurde vor drei Jahren gezwungen, die Kontrolle über seinen von China finanzierten Hafen aufzugeben und damit ein strategisch wichtiges Wirtschaftsgut an Peking abzutreten.»


«De Telegraaf»: Keine Rosinenpickerei

AMSTERDAM: Die Schweizer lehnen die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in einer Volksabstimmung klar ab. Dazu heißt es am Montag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«Die Schweizer haben befürchtet, dass eine Entscheidung gegen Europa das Land in eine Wirtschaftskrise stürzen könnte. Auch bei den Verhandlungen mit London um den Brexit stellt dieses Votum eine Unterstützung für die EU dar. Die Einwanderung ist im Vereinigten Königreich ebenfalls ein heißes Eisen. Brüssel hatte für die Schweizer die gleiche Botschaft wie für die Briten: Man kann sich nicht die Rosinen herauspicken. Es gibt also ohne den freien Personenverkehr keinen Freihandel.

Wäre das Referendum angenommen worden, hätte das Nicht-EU-Mitglied Schweiz die einseitige Kontrolle über die Einwanderung bekommen. Das hätte die Beziehungen zur EU, dem größten Handelspartner des Landes, schwer gestört. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer wollten dieses Risiko nicht eingehen.»


«Tages-Anzeiger»: Nur ein Ja zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Montag die Ablehnung der Begrenzung des Ausländerzuzugs in die Schweiz bei einer Volksabstimmung:

«Die SVP-Führung ist bei ihrem Angriff auf die Personenfreizügigkeit auf die Nase gefallen. Das muss der Partei zu denken geben: Sie hat zwei ihrer Kernthemen, die Zuwanderung und die Beziehung zur EU, in einer Volksinitiative verschmolzen. Aber sie hat es nicht einmal geschafft, eine Diskussion in Gang zu bringen. Die Stimmbürger haben der SVP nicht geglaubt, dass sich die Initiative ohne Schäden für die Wirtschaft umsetzen ließe - und sich gegen ein Zerwürfnis mit der EU ausgesprochen. Hier ist der Hauptgrund für die klare Ablehnung zu suchen. (...)

Das Bekenntnis vom Sonntag zum bilateralen Weg ist nur ein Ja zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Eine stärkere politische Anbindung hingegen stößt auf ungebrochene, sogar zunehmende Ablehnung. Das bestärkt die EU in ihrer Auffassung, die Schweiz wolle doch nur Rosinen picken, ohne sich ernsthaft an der Entwicklung Europas zu beteiligen. Dazu trägt bei, dass bisher keine realistischen Vorschläge vorliegen, wie eine Einigung mit der EU aussehen könnte.»


«NZZ»: Bilateraler Weg ist noch nicht gesichert

ZÜRICH: Die Schweizer lehnen bei einer Volksabstimmung die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern klar ab. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Montag:

«Das Resultat lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Das Stimmvolk hat am Sonntag die Begrenzungsinitiative (BGI) mit rund 62 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Dies ist eine schmerzliche Niederlage für die SVP und ein Bekenntnis zum bilateralen Weg mit der EU. Dem Souverän war bewusst, dass eine Annahme diesen infrage gestellt hätte. (...)

Mit dem wuchtigen Nein ist der bilaterale Weg allerdings nicht gesichert. Die EU macht bereits seit 2008 klar, dass dieser für sie an seine Grenzen gekommen ist. Sie verlangt eine institutionelle Lösung mit einer Streitbeilegung, um in jenen Bereichen, in denen die Schweiz am Binnenmarkt partizipiert, eine einheitliche Rechtsauslegung und Weiterentwicklung zu garantieren.»

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