Wolfgang Ullrich steht nicht vor den Toren der Stadt

Pattayas Grossinvestor wird wohl noch Jahre im Knast verbringen

Ausgeliefert: Wolfgang Ullrich bei seiner Ankunft in München am 15. Februar 2001.
Ausgeliefert: Wolfgang Ullrich bei seiner Ankunft in München am 15. Februar 2001.

Die Gleichung: Gefängnis in Thailand mal zwei zuzüglich der U-Haft in Deutschland und der bereits abgesessenen Strafe = Entlassung aus der Haft . . . geht so nicht auf. Denn bei dieser Milchmädchenrechnung wäre Wolfgang Ullrich unter Berücksichtigung der Aussetzung des Strafrestes längst wieder auf freiem Fuss.

Nicht wenige seiner Freunde und Bekannten aus alten Tagen wähnen Pattayas Grossinvestor bereits vor den Toren der Stadt. Zumal die Gerüchte nicht verstummen wollen, der Geschäftsmann, den deutsche Medien zum „König von Pattaya“ und thailändische zum „Paten“ hochjubelten, habe im Touristenzentrum nicht nur seine langjährige Lebensgefährtin Rosalin Chaiyasant zurückgelassen. Die Stammtische wollen wissen, Ullrich hätte in Thailand noch einige Millionen (Baht oder Euro) gebunkert.

Die Redaktion fragte den zuständigen Staatsanwalt beim Landgericht München, wann Ullrich aus der Haft entlassen werden könnte. Dr. Alexander Kalomiris verweist auf das „Resozialisierungsinteresse des Verurteilten Ullrich“. Deshalb könne die Staatsanwaltschaft zum Verlauf der Strafvollstreckung grundsätzlich keine Auskünfte erteilen. Allgemein würden für den Deutschen die gesetzlichen Regelungen gelten.

Bei Ullrich greift neben der Strafvollstreckungsordnung womöglich der Paragraf 57 des Strafgesetzbuches (StGB). Danach kann ein Gericht den Strafrest zur Bewährung aussetzen, wenn zwei Drittel der verhängten Strafe verbüsst sind. "Diese Luxusyacht brachte den deutschen Geschäftsmann ins Gefängnis. „Last Money“ wurde später von den Zollbehörden versteigert."

Fest steht: Die in Thailand erlittene Auslieferungshaft wird wegen der menschenunwürdigen Zustände in den hiesigen Gefängnissen im Massstab 1:2 angerechnet. Jeder Monat Abschiebehaft wird also doppelt berechnet. Der Deutsche war vom 14. September 1998 bis zum 14. Februar 2001 in thailändischen Gefängnissen (siehe „Chronologie einer Haft), doch diese 29 Monate werden in Deutschland nicht in ihrer Gänze auf Ullrichs Gesamtstrafe angerechnet. Seine Auslieferungshaft währte erheblich kürzer, vom 15. Dezember 1999 bis 14. Februar 2001, also 14 Monate.

Zudem weisen Justizkreise auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes hin. Die Richter protokollierten im September letzten Jahres, Ullrich habe bei der Unterschlagung von Spendengeldern mit „besonders hoher krimineller Energie“ gehandelt. Diese Wertung könnte die in Deutschland übliche Bewährungsentlassung nach zwei Drittel des ursprünglichen Strafmasses (Paragraf 57 StGB) unmöglich machen.

Ullrich steht also noch nicht vor den Toren der Stadt. Kommt die Bewährungsentlassung nach Paragraf 57 StGB zum Tragen, könnte Ullrich Ende nächsten Jahres in Freiheit kommen. Wahrscheinlicher ist seine Haftentlassung Mitte 2010, dann nämlich hätte er seine Strafe voll abgesessen. Zudem stehen ihm weitere Strafverfahren bevor. So soll das Finanzamt Augsburg-Stadt ein Steuerstrafverfahren eingeleitet haben. Ullrich soll Umsatz- und

Einkommensteuer in Millionenhöhe hinterzogen haben. Obwohl Polizisten den Deutschen im September 1998 als unerwünschte Person festsetzten, darf er wohl wieder nach Thailand einreisen. Denn Mitte 2002 entschied der Oberste Gerichtshof, der Supreme Court, der Innenminister hätte den Geschäftsmann ohne Anhörung im Jahr 1997 nicht zur Persona non grata erklären dürfen. Wolfgang Ullrich könnte also nach der Haftentlassung durchaus seinen Lebensabend in seinem geliebten Pattaya verbringen.

Nicht nur die thailändische Polizei und Justiz haben sich Ende der 90er Jahre mit dem Deutschen befasst. Die damalige Opposition warf Ullrich Anfang 1999 bei einer Misstrauensdebatte im Parlament vor, den Innenminister bestochen zu haben. Politiker stellten den Deutschen damals als Mafia-Boss mit Verbindungen zum Mädchen- und Drogenhandel hin. Bis heute konnten die Behörden für die ihm unterstellten Straftaten keinen stichhaltigen Beweis vorlegen. Die Justiz wies ihm lediglich Steuerhinterziehung und Zollvergehen nach. Eine Luxusyacht mit dem Namen „Last Money“ brachte Ullrich vor den Richter und ins Gefängnis.

In Pattaya hatte der jetzt 61-jährige in den 80er und 90er Jahren Millionen Deutsche Mark investiert: in die Hotellerie, die Gastronomie (Bavaria House I und II), in Bars, in die Einkaufsarkade gegenüber der Mike Shopping Mall an der Soi Diana Inn, in eine Fabrik und in eine bis heute nicht fertig gestellte luxuriöse Apartmentanlage (Alters- und Pflegeheim) zwischen der Tappraya Road und der Soi 18.


Chronologie einer Haft

14. September 1998: Wolfgang Ullrich wird in Pattaya festgenommen und kommt in Abschiebehaft. Der Innenminister hatte den Deutschen bereits 1997 auf die Liste der unerwünschten Personen gesetzt.

24. Oktober 1998: Beginn der Untersuchungshaft, Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung. Ullrich soll seine Luxusyacht „Last Money“ illegal nach Thailand eingeführt haben.

18. Dezember 1998: Gegen Zahlung einer Kaution aus der U-Haft entlassen und wieder in Abschiebehaft genommen.

19. Juli 1999: Ein Bangkoker Kriminalgericht verurteilt Ullrich wegen Zollvergehen und Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 79 Millionen Baht und zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe auf Bewährung. Weil Ullrich nicht zahlen will oder kann, muss er eine zweijährige Gefängnisstrafe antreten.

15. Dezember 1999: Entlassung aus dem Gefängnis Dank einer Amnestie des Königs, erneut in Abschiebehaft. Am 26. April 1999 hatte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München wegen Unterschlagung von Spendengeldern einen internationalen Haftbefehl erwirkt und Ullrichs Auslieferung beantragt.

27. Dezember 2000: Ein Bangkoker Gericht entscheidet letztinstanzlich, Ullrich muss ausgeliefert werden.

14. Februar 2001: Ullrich wird zum Bangkoker Flugplatz gebracht und trifft am 15. Februar in Begleitung mehrerer Beamte des Bundeskriminalamtes auf dem Münchner Flugplatz ein.

4. April 2003: Die Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München verurteilt Ullrich wegen Untreue zu zwölf Jahren Gefängnis. Der langjährige Vorsitzende des Deutschen Tierhilfswerks hat mindestens 54 Millionen Mark auf seine eigenen Konten abgezweigt.

29. September 2004: Der Bundesgerichtshof verwirft den Revisionsantrag von Wolfgang Ullrich gegen den Urteilsspruch der Wirtschaftsstrafkammer als unbegründet.

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