Wie kam Ghosn nach Beirut?

Ex-Automanager will sich zu Flucht äußern

Foto: epa/Wael Hamzeh
Foto: epa/Wael Hamzeh

BEIRUT (dpa) - Der Fall Ghosn liest sich wie ein Krimi: In Japan verhaftet und angeklagt, flieht der einflussreiche Ex-Autoboss in den Libanon. Aber wie? Und wie plant Ghosn weiter? Erste Antworten könnte es an diesem Mittwoch geben.

Der frühere Automanager Carlos Ghosn will sich am Mittwoch in Beirut zu seiner Flucht aus Japan äußern. Der ehemalige Vorstandschef des französisch-japanischen Autobündnisses Renault-Nissan-Mitsubishi stand in Japan unter Anklage, war aber auf freiem Fuß. Am 29. Dezember flüchtete er in den Libanon. Dabei soll der 65-Jährige sich in einer Kiste versteckt haben, wie japanische Medien am Dienstag unter Berufung auf Ermittlerkreise berichteten. Zu der Flucht mit einem Privatjet hätten ihm zwei Amerikaner geholfen. Japan nannte die Ausreise illegal.

Der frühere Konzernchef war am 19. November 2018 in Tokio wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden. Im April 2019 wurde er unter strengen Auflagen auf Kaution aus der Untersuchungshaft in Japan entlassen. Unter anderem wurde ihm verboten, das Land zu verlassen. Ghosn hat die französische, die brasilianische und die libanesische Staatsangehörigkeit.

Die bisher vor allem von japanischen Medien verbreitete Fluchtgeschichte liest sich wie ein Hollywood-Film. Demnach landeten Ghosns US-amerikanische Helfer mit einem Privatjet in Osaka. Später seien sie mit dem Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen nach Tokio gefahren und dann mit Ghosn zurück nach Osaka zum Hotel. Zwei Stunden später hätten die Amerikaner mit zwei großen Kisten das Hotel verlassen. Ghosn sei nicht zu sehen gewesen. Die Kisten seien als Gepäck für Musikinstrumente deklariert gewesen und am Flughafen nicht durchleuchtet worden. Auch am Zoll seien sie nicht geöffnet worden.

Der Privatjet sei dann in die Türkei geflogen, von dort aus reiste Ghosn weiter nach Beirut. Die japanische Staatsanwaltschaft erwirkte einen Haftbefehl gegen Ghosns Frau Carole. Ihr werde vorgeworfen, im vergangenen April bei einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft vor Gericht Falschaussagen gemacht zu haben. Japans Justizministerin Masako Mori betonte, Ghosn habe das Land mit «illegalen Methoden» verlassen.

Er sei «nicht länger eine Geisel des manipulierten japanischen Justizsystems», hatte Ghosn in einer ersten Stellungnahme betont. «Ich bin dem Unrecht und politischer Verfolgung entkommen.» Im April war er auf Kaution entlassen worden - unter strengen Auflagen, um zu verhindern, dass er flieht oder Beweismaterial vertuscht. Unter anderem wurde ihm verboten, das Land zu verlassen.

Seine Ehefrau Carole Ghosn hat nach eigenen Angaben nichts von der Flucht ihres Ehemannes gewusst. «Ich war mit meinen Kindern in Beirut, um Weihnachten zu feiern, und jemand rief mich an und sagte: «Ich habe eine Überraschung für dich.» Es war die beste Überraschung meines Lebens», sagte Carole Ghosn der französischen Zeitung «Le Parisien». «Wir trafen uns in der Wohnung meiner Eltern, ich umarmte Carlos ganz fest, mindestens fünf Minuten, bevor ich einen Ton rausbrachte.»

Er werde nun die Wahrheit ans Licht bringen, kündigte Carole Ghosn mit Blick auf die Pressekonferenz ihres Mannes am Mittwoch in Beirut an. Carlos Ghosn, so seine Frau, sei das Opfer einer Verschwörung und des Krieges zwischen Renault und Nissan. Sie verteidigte seine Flucht aus Japan. «Carlos hatte nicht die Absicht, sich für Dinge schuldig zu bekennen, die er nicht getan hat.» Nach Angaben von «Le Parisien» schloss Carole Ghosn in dem am Dienstagabend in Beirut geführten Gespräch auch eine Rückkehr nach Frankreich nicht aus. Es sei allerdings keine Option in der nahen Zukunft.

Den Haftbefehl der japanischen Justiz bezeichnete sie als «Rache der japanischen Staatsanwälte». Carole und Carlos Ghosn sind seit 2016 verheiratet. Sie hatte in der Vergangenheit sogar US-Präsident Donald Trump sowie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron um Hilfe in dem Fall gebeten.

Die von Ghosn hinterlegte Kaution in Höhe von 1,5 Milliarden Yen (12,4 Millionen Euro) behält der japanische Staat ein. Der japanische Renault-Partner Nissan will trotz der Flucht weiter rechtlich gegen Ghosn vorgehen. Man werde angemessene rechtliche Schritte ergreifen, um «Ghosn für den Schaden, den sein Fehlverhalten Nissan verursacht hat, zur Verantwortung zu ziehen».

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