Wenn das Militär es richten soll

Kapstadt im Griff des Verbrechens

Foto: epa/Nic Bothma
Foto: epa/Nic Bothma

JOHANNESBURG (dpa) - Sonne, Strand, Surfen: Südafrikas Touristenmetropole Kapstadt bietet eine Glitzerfassade für die Schönen und Reichen dieser Welt. Aber in den ausgedehnten Armengebieten am Rande der Stadt tobt das Verbrechen. Die Polizei muss sich nun von der Armee schützen lassen.

Was tun, wenn das Vertrauen in die Polizei kollabiert und das Verbrechen überhand nimmt? In Südafrikas Touristenmetropole Kapstadt kannten die Armen nach einem besonders blutigen Wochenende mit 73 Morden nur noch einen Ausweg: Die Armee muss her und Ordnung schaffen. Ihr Hilferuf wurde aufgenommen vom Parlament. Seit Wochen patrouillieren dort in den sogenannten Cape Flats nun schwer bewaffnete Soldaten. Der Polizeiminister des Landes, Bheki Cele, wertete den im Juli begonnenen Einsatz nur wenige Wochen später bereits als Erfolg. Rund 800 gesuchte Kriminelle seien festgenommen worden, 45 Schusswaffen sowie zahlreiche Munition seien konfisziert und diverse Drogen sichergestellt worden.

Soldaten in Wohngebiete zu schicken sei keine Lösung in einer idealen Welt, sagte Cele - meinte aber auch: «Die Präsenz von Soldaten kann keine dauerhafte Lösung sein - wir bereiten uns auf eine Zeit vor, wenn die Polizei wieder übernehmen kann.» Die für drei Monate entsandten Soldaten würden bei der Bevölkerung auf positive Akzeptanz stoßen.

Doch Johann Burger vom Institut für Sicherheitsstudien (ISS) hat eine andere Sicht der Dinge: «Die Entsendung der Armee ist das Eingeständnis der Regierung, dass das Polizeisystem in einer tiefen Krise steckt.» Das lässt sich in der Tat bereits an den Zahlen der boomenden Sicherheitsindustrie in dem Kap-Staat ablesen. Wer es sich leisten kann, zahlt für seine Sicherheit durch eine private Firma. «Die private Sicherheitsindustrie kommt auf rund 500.000 aktive Mitglieder, die Polizei auf rund 150.000», sagt Sicherheitsexperte Burger, der von einem enormen Vertrauensverlust der Bevölkerung in ihre Polizei spricht. Er hält es durchaus für möglich, dass die dreimonatige Entsendung der Armee noch mal verlängert werden muss.

«Man darf nicht erwarten, dass das Verbrechen von heute auf morgen verschwindet», meint er. Immerhin hat die Stadt die höchste Mordrate im Lande, die nationalen Medien sprechen von einer regelrechten Kriegszone in den Townships und Armensiedlungen außerhalb von Kapstadts Glitzerwelt. Statistisch kamen 2018 dort auf 100.000 Einwohner 66,4 Mordfälle; landesweit liegt der Schnitt bei 36 Morden.

Ähnlich wie bei Antiterror-Einsätzen in Frankreich sollen die nicht für Polizeiaufgaben ausgebildeten Soldaten mit ihren automatischen Waffen nun die Polizisten beschützen, damit die in den betroffenen Gebieten Verbrecher suchen und Waffen, Drogen und gestohlene Güter sicherstellen. Es geht aber auch um Sichtbarkeit in den Straßen, die zuletzt zunehmend das Schlachtfeld von Verbrecherbanden waren.

Doch die bisherigen Bilanzen wirken nur wenig überzeugend. Anfang August wurden an einem einzigen Wochenende trotz der Armee-Präsenz 47 Menschen umgebracht. Gut die Hälfte davon kam nach Behördenangaben durch Schusswunden ums Leben. Es sind oft auch Beziehungstaten in einem Umfeld aus hoher Jugendarbeitslosigkeit und völlig zerrissenen Sozialstrukturen. Für viele Jugendliche ist die «Karriere» in einer der vielen Banden oft der vermeintlich einzige Ausweg aus ihrer Misere. Sie heißen «Mongrels» oder «Terrible Josters», sind straff organisiert und haben nach Angaben von Insidern mitunter Tausende Mitglieder.

Nach der letzten verfügbaren Polizeistatistik wurden in Südafrika in nur einem Jahr 20.336 Menschen umgebracht - im Schnitt 57 Morde pro Tag. Zum Vergleich: In Deutschland gibt das BKA die Zahl der 2018 erfassten Fälle von Mord sowie Totschlag und Tötung auf Verlangen mit 2471 Fällen an. Die Zahl der Mordopfer lag bei 386 Toten.

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