Wahlen entscheiden über Machtpositionen

Foto: epa/Fehim Demir
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SARAJEVO: Ineffiziente Verwaltung, Korruption und Vetternwirtschaft machen den Menschen in Bosnien das Leben schwer. Seit dem Krieg der 1990er-Jahre regieren nationalistische Parteien. Schaffen die Wahlen Abhilfe?

In Bosnien-Herzegowina haben die Bürger am Sonntag neue Staatsorgane gewählt. Rund 3,3 Millionen Menschen waren dazu aufgefordert, die dreiköpfige Staatsspitze, das Bundesparlament und die Parlamente in den beiden weitgehend selbstständigen Landesteilen zu wählen. Auch die Präsidentschaft in der Serbischen Republik (RS) und die Kantonsverwaltungen in der bosnisch-kroatischen Föderation (FBiH) standen zur Wahl. Bis 11.00 Uhr gaben 15 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie die Zentrale Wahlkommission mitteilte. Das waren etwa vier Prozentpunkte mehr als bei den Wahlen vor vier Jahren.

Die Menschen entscheiden darüber, in welchem Umfang die jeweiligen nationalistischen Parteien der drei Volksgruppen weiter über die Geschicke des kleinen Balkanlands bestimmen sollen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung sind muslimische Bosnier, ein Drittel orthodoxe Serben und rund 15 Prozent katholische Kroaten. In der Zahl der Wahlberechtigten sind auch viele Staatsbürger eingerechnet, die derzeit nicht im Land leben. Die Wahllokale sollten um 19.00 Uhr schließen. Mit ersten Ergebnissen wurde nicht vor Mitternacht gerechnet.

Bosnien war von 1992 bis 1995 Schauplatz eines von Serbien gestarteten blutigen Kriegs. Rund 100.000 Menschen wurden getötet, an die zwei Millionen vertrieben. Auf der Ebene des Gesamtstaates regiert bislang eine Koalition der drei Nationalparteien, der muslimischen SDA, der serbischen SNSD und der kroatischen HDZ. Weniger nationalistische Parteien und nicht-nationalistische Bürgerparteien registrierten zuletzt unter allen Volksgruppen einen gewissen Zulauf. Denn die Nationalisten vermochten die schweren Probleme des Landes - wirtschaftliche Rückständigkeit, schlechte Verwaltung, Korruption und Abwanderung der Jungen - nicht zu lösen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die nationalistischen Serben und Kroaten Politik gegen den Gesamtstaat machen. Unter der Führung des SNSD-Chefs Milorad Dodik strebt der serbische Landesteil die Abspaltung von Bosnien an. Die kroatischen Nationalisten arbeiten gleichfalls an der Schwächung des bosnischen Gesamtstaats.

Die HDZ, die 2018 landesweit auf neun Prozent der Stimmen kam, beansprucht den kroatischen Sitz im Staatspräsidium für sich als Partei und verlangt entsprechende Wahlrechtsänderungen. Ihren Forderungen verlieh sie durch einen Boykott der Regierungsbildung in der Föderation FBiH Nachdruck, so dass dort seit 2018 nur eine Geschäftsträger-Regierung amtieren konnte.

Der internationale Repräsentant in Bosnien, der Deutsche Christian Schmidt, deutete im Sommer an, dass er die von den Kroaten gewünschten Wahlrechtsänderungen auf dem Verordnungsweg umsetzen könnte. Aufgrund des Dayton-Friedensvertrags von 1995 und nachfolgenden Abmachungen hat der internationale Repräsentant die Vollmacht, Gesetze per Dekret zu erlassen. Nach Bürgerprotesten in Sarajevo ließ Schmidt vorerst von seiner Absicht ab.

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