Russische Truppen setzen Angriffe an Front in der Ukraine fort
KIEW: Ungeachtet der Bemühungen eines großen Teils der Weltgemeinschaft um Frieden in der Ukraine haben russische Truppen am Samstag ihre Angriffe an diversen Frontabschnitten fortgesetzt. Unterstützt von ihrer Luftwaffe griffen russische Einheiten im Osten des Landes erneut in der Umgebung von Wowtschansk an, wie der Generalstab in Kiew am Abend in seinem täglichen Lagebericht mitteilte.
Ungewöhnlich starke russische Vorstößen wurden zudem aus der Region Pokrowsk im Südosten der Ukraine gemeldet. Dort sei knapp ein Drittel der insgesamt 74 russischen Attacken des Tages registriert worden. Alle Angriffe seien abgeschlagen worden, hieß es. «Unsere Jungs halten sich wacker», teilten die Generäle in Kiew mit.
Kiew: Nur Moskau will den Krieg fortsetzen
KIEW: Mit Blick auf die Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz bleibt Russland aus der Sicht Kiews das einzige Land, das den Krieg fortsetzen will. «Dieser Gipfel wurde einberufen, um den Friedensprozess zu beginnen», sagte Ihor Schowka, stellvertretender Leiter der Kanzlei von Präsident Wolodymyr Selenskyj. In der Schweiz seien alle Länder versammelt, die effektiv zu einer Friedenslösung beitragen wollten. «Und jetzt konzentrieren wir uns mal darauf, ob Russland versteht, dass es faktisch das einzige Aggressor-Land ist, das darauf bedacht ist, diese Aggression fortzusetzen», wurde Schowka am Samstag von der Agentur Unian weiter zitiert.
Russland war zu dem Friedensgipfel auf dem Bürgenstock, einem Bergrücken über dem Vierwaldstättersee, nicht eingeladen worden. Allerdings hatte Moskau auch selbst kein Interesse an einer Teilnahme gezeigt. Vielmehr hatte Russlands Präsident Wladimir Putin unmittelbar vor dem Gipfel als Bedingung für ein Ende der Kampfhandlungen von der Ukraine den vollständigen Verzicht auf die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim gefordert. Das ukrainische Außenministerium wies das als absurd und manipulativ zurück.
«Bewaffnet mit Wissen»: Zivilschutz-Informationstag
JURMALA: In Lettland hat am Samstag ein landesweiter Zivilschutz-Informationstag mit dem Titel «Bewaffnet mit Wissen» stattgefunden. In 14 Städten und Gemeinden des baltischen EU- und Nato-Landes konnte die Bevölkerung in praktischen Schulungen erlernen, wie man in Krisensituationen handeln sollte. Damit will man angesichts Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und der geopolitischen Lage den Zivilschutz stärken. Lettland grenzt im Osten an Russland und dessen engen Verbündeten Belarus.
Vermittelt wurden Kenntnisse und Fähigkeiten in Erster Hilfe, beim Anlegen von Notfallvorräten sowie dem Umgang mit explosiven Gegenständen, Strahlungs- oder chemischen Gefahren. Aufgezeigt wurde von den Zivilschutzbehörden und der Freiwilligenarmee auch, wie man im Verteidigungs- und Spannungsfall an verlässliche Informationen kommt. Mehrere Städte stellten zudem ihre Katastrophenschutzpläne vor. Auch Handbücher mit Verhaltenstipps für Notfälle und Kriegszeiten wurden verteilt.
Verteidigungsminister Andris Spruds sagte, in der gegenwärtigen Sicherheitslage sei es nötig, sich zu wappnen. «Wir alle müssen unsere Verantwortung, unseren Beitrag leisten, damit wir als Gesellschaft, als Land und als Einzelpersonen wissen, wie wir uns in einer Krisensituation verhalten zu haben», sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Informationsveranstaltung im Ostseebad Jurmala. Es sei wichtig, die Öffentlichkeit zu informieren, was in der Stunde X zu tun sei. Das sei eine «Gemeinschaftsaufgabe».
Russland berichtet von Toten im Grenzgebiet Belgorod
BELGOROD: Große Teile Russlands spüren fast nichts vom Krieg. In Belgorod an der Grenze ist das anders. Dorthin schießt die Ukraine, weil Moskau dort seine Truppen sammelt und versorgt.
In der russischen Region Belgorod an der Grenze zur Ukraine sind nach Behördenangaben sieben Menschen durch ukrainischen Beschuss getötet worden. Aus den Trümmern eines eingestürzten Mehrfamilienhauses in dem Ort Schebekino bargen Retter nach Angaben des Katastrophenschutzes vom Samstag vier Leichen. Eine gerettete Frau sei im Krankenhaus gestorben, schrieb Gebietsgouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram. Das Haus sei am Freitag nach Beschuss der Ukraine auf Schebekino eingestürzt. Es wurden aber keine Angaben zu einem direkten Treffer gemacht.
Die weitgehend entvölkerte Stadt liegt nur etwa fünf Kilometer von der Grenze entfernt. Auf der anderen Seite liegt die ukrainische Kleinstadt Wowtschansk, um die sich russische und ukrainische Truppen derzeit heftige Kämpfe liefern. Gouverneur Gladkow berichtete außerdem von je einem Toten in den russischen Orten Oktjabrski und Murom. Am Samstag sei Schebekino erneut beschossen worden.
Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab. Das Grenzgebiet Belgorod dient den russischen Truppen als Aufmarschgebiet und Logistikstützpunkt. Von dort wird auch die ostukrainische Großstadt Charkiw beschossen. Seit Russland an diesem Frontabschnitt Mitte Mai eine weitere Bodenoffensive begonnen hat, beschießt die Ukraine das Gebiet Belgorod intensiver. Die USA und andere Unterstützer haben der Ukraine erlaubt, von ihnen gelieferte Waffen dort über die Grenze hinweg einzusetzen.
«The Times»: G7-Gipfel zerstreut Zweifel an Ukraine-Hilfe
LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Samstag die Unterstützung der G7-Staaten für die Ukraine:
«Befürchtungen hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Hilfe für die Ukraine dürften durch die bedeutenden Ergebnisse des G7-Gipfels zumindest zeitweise zerstreut worden sein. Bei dem Treffen in Süditalien unterzeichneten Joe Biden und Wolodymyr Selenskyj ein zehnjähriges bilaterales Sicherheitsabkommen. (...)
Es beinhaltet einen verstärkten Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse und militärische Ausbildung sowie eine Aufrüstung der ukrainischen Luftabwehr, der Munitionsbestände und der Cyberabwehrsysteme. Die G7 hat zugesagt, fünf Patriot-Luftabwehrsysteme zu liefern. Die Ukraine benötigt diese Systeme dringend, um den immer stärker werdenden russischen Raketenbeschuss abzuwehren, der auf wichtige Energieinfrastrukturen abzielt und zu Stromausfällen in Kiew geführt hat.
Zusätzlich zu dieser Hilfe haben die USA erneut bekräftigt, dass die Zukunft der Ukraine im transatlantischen Bündnis liegt. Diese Schritte werden zu Recht als Versuch Bidens gewertet, der Ukraine eine langfristige strategische Unterstützung gegen die sich abzeichnende Möglichkeit einer zweiten Trump-Präsidentschaft zu sichern.»