MÜNCHEN: Zum Welt-Aids-Tag (1. Dezember) warnen Experten vor einer neuerlichen Ausbreitung der Krankheit in Osteuropa. «Besonders in Osteuropa steigt die Neuinfektionsrate weiter an», sagte der Infektiologe Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Fortschritte im Kampf gegen HIV seien indes in Afrika zu verzeichnen. Weltweit lebten 2022 rund 39 Millionen Menschen mit HIV, etwa 1,3 Millionen Menschen pro Jahr infizieren sich neu mit dem Immunschwächevirus.
Spinner übernimmt bei der 25. Welt-Aids-Konferenz in München vom 22. bis 26. Juli nächsten Jahres den örtlichen Kongressvorsitz. Bei dem weltgrößten wissenschaftlichen Treffen zum Thema HIV werden mehr als 15.000 Teilnehmende aus mehr als 175 Ländern erwartet. Wissenschaftler, Mediziner, Gesundheitsexperten und Aktivisten wollen über Wege beraten, um HIV und Aids einzudämmen.
In Deutschland sei eine Halbierung der Neuinfektionszahlen in den vergangenen 30 bis 40 Jahren gelungen, sagte Spinner – von fast 4000 pro Jahr Ende der 1980er auf rund 1900 im Jahr 2023. Gründe seien bessere Aufklärung, niederschwellige Testangebote und eine wirksame antivirale Therapie, die ein weitgehend normales Leben ermögliche und auch vor einer Übertragung des Virus schütze. Zudem spiele wahrscheinlich die Verfügbarkeit vorbeugender Medikamente eine Rolle, die sogenannte HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP). Damit sei bei homo- und bisexuellen Männern die Zahl der Neuinfektionen deutlich gesenkt worden.
Kein Rückgang ist laut Robert Koch-Institut (RKI) bei der Zahl der HIV-Neuinfektionen bei Heterosexuellen erkennbar sowie bei Menschen, die intravenös Drogen konsumieren – im Gegenteil: In beiden Gruppen stiegen die Zahlen sogar leicht an. Etwa 520 Menschen infizierten sich Spinner zufolge auf heterosexuellem Weg (davon 310 Frauen und 210 Männer), rund 370 weitere Menschen beim intravenösen Drogengebrauch. Hier sei kein Rückgang an Neuinfektionen zu erkennen, da die HIV-PrEP in diesen Gruppen bisher fast gänzlich unbekannt sei.
Um die Neuinfektionen in Deutschland weiter zu senken, müssten vor allem homo- und bisexuelle Männer außerhalb großer Städte, heterosexuelle Menschen mit Risiko und intravenös Drogenkonsumierende außerhalb der medizinischen Versorgung erreicht werden.