ScoMo versus Albo: Australien vor der Klimawahl

Foto: Pixabay
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SYDNEY: Australien wählt am Wochenende ein neues Parlament. Wer macht das Rennen - Premier Scott Morrison oder sein Herausforderer Anthony Albanese? Klar ist: Auf die nächste Regierung warten jede Menge Probleme. Eindrücke aus einem gespaltenen Land.

Es ist ein Herbsttag in Manly im Norden von Sydney. Surfer reiten den blauen Pazifik, Möwen kreischen, Männer mit Outback-Hüten trinken Bier in der Fußgängerzone. Mittendrin verteilen Wahlkampfhelfer Flugblätter. Plakate mit lächelnden Politikerinnen und Politikern versprechen, die drängendsten Probleme der Nation anzugehen. Am Samstag wählt Australien ein neues Parlament - und damit die Richtung, in die das vom Klimawandel gebeutelte Land in den nächsten drei Jahren steuern wird.

Die Atmosphäre in Manly ist, in typischer «Aussie»-Manier, trotzdem entspannt. Die freiwilligen Helfer plaudern und lachen, egal welches T-Shirt sie tragen und welcher politischen Fraktion sie angehören. Ein krasser Gegensatz zu den teils hitzigen TV-Debatten, die sich der amtierende Premier Scott Morrison (54) und sein Herausforderer Anthony Albanese (59) in den vergangenen Wochen geliefert haben.

«Eine Stunde lang passierte kaum mehr, als dass jede Menge Schlamm geschleudert wurde», kommentierte die australische ABC das besonders zänkische zweite Duell am 8. Mai. «Unklar ist, wer mehr Dreck abbekommen hat - aber wahrscheinlich waren es die Zuschauer, die am späten Abend ihre Zeit geopfert haben, nur um zwei Männer streiten zu sehen.» Geschrei ist auf der politischen Bühne von Down Under eher selten. Das zeigt, wie viel bei der Abstimmung auf dem Spiel steht.

Mit ihrer Ausstrahlung werden die Kontrahenten die Wählerschaft kaum überzeugen: Sowohl der konservative ScoMo als auch der Sozialdemokrat Albo, wie die Spitzenkandidaten kurz genannt werden, gelten nicht gerade als Charismatiker. Morrison gab selbst zu, «ein bisschen wie ein Bulldozer» zu regieren. Albanese bezeichnete sich hingegen als «Builder», einen der etwas aufbauen will. Wer die beiden im Wahlkampf beobachtet hat, merkte schnell: Bei keinem wollte der Funke so recht überspringen. Mitreißende Politik sieht anders aus.

Das angespannte Verhältnis zu China, der daraus resultierende neue Sicherheitspakt «Aukus» mit Großbritannien und den USA und eine menschenunwürdige Migrationspolitik - das sind die Themen, die den fünften Kontinent ins Interesse der Weltgemeinschaft gerückt haben. Für den Ausgang der Wahl ist keines davon relevant. Die Australier haben ganz andere Sorgen. Allen voran den Klimawandel.

Katastrophale Buschbrände, Korallenbleichen am Great Barrier Reef, Baumsterben in den Regenwäldern und zuletzt massive Überschwemmungen an der Ostküste - seit einigen Jahren kommt es knüppeldick für die Australier. Dass Mitglieder von Morrisons Liberal Party die Klimakrise immer noch leugnen, sorgt bei vielen für Zorn.

«Ich habe mit zahlreichen Liberalen gesprochen, die glauben, dass das Ganze eine Erfindung ist», bestätigt Sam Pigram, der in Manly beim Labor-Wahlkampf hilft. «Ich bin hingegen sehr umweltbewusst - und für mich ist die Klimakrise das wichtigste Thema bei dieser Wahl.» Dies sei auch einer der Hauptgründe, warum er der Partei beigetreten sei.

Der Regierung Morrison gehe es letztlich vor allem um Profit und darum, ihre Gönner nicht zu verärgern, sagt Jeff Scicluna, IT-Berater aus Melbourne. Falls die Konservativen weiter an der Macht blieben, werde das «Australiens längerfristige Zukunft vor große Herausforderungen stellen», ist der 55-Jährige überzeugt.

«Überflutungen gab es in Australien immer, das ist nicht neu», winkt Mark Westfield ab. Der 69-Jährige ist seit neun Jahren Mitglied der Liberal Party. Australien wolle - wie viele andere Staaten - bis 2050 klimaneutral werden und tue damit seinen Teil. Tatsächlich hatte Morrison als erklärter Fan der Kohleindustrie lange gezögert, ein konkretes Datum für ehrgeizigere Klimaziele zu nennen. Schließlich tat er es vergangenes Jahr doch, kurz vor der UN-Klimakonferenz.

Die Klimakrise wirkt sich bereits auf die Lebenshaltungskosten aus. Die durch wochenlange Regenfälle ausgelösten Überschwemmungen in New South Wales und Queensland haben Ernten zerstört und die Preise für Früchte und Gemüse in die Höhe getrieben. Ein Blick in die Obstregale bei der Supermarktkette Coles zeigt: Ein Kilo Tomaten kostet jetzt 9,90 australische Dollar (6,60 Euro), für drei Paprikas müssen Kunden sogar 10,90 Dollar (7,30 Euro) hinblättern. Das sei mehr als doppelt so viel wie noch vor ein paar Wochen, sagen Beobachter.

Aber auch ohne Dauerregen und Fluten ist das Leben Down Under teuer. Die Hauspreise in Metropolen wie Sydney, Melbourne oder Perth sind für die meisten unerschwinglich geworden. Hört man den Bürgern zu, wird schnell klar: Die alltäglichen Probleme werden bei dieser Wahl den Ausschlag geben. Den meisten der 17 Millionen Wahlberechtigten geht es um Dinge wie bezahlbare Mieten, Kitas, Seniorenheime und Krankenhäuser - nicht um Weltpolitik.

Morrisons Koalitionsregierung kann derweil mit einer niedrigen Arbeitslosenquote von gerade einmal vier Prozent aufwarten. Auch die Aussichten für das Wirtschaftswachstum sind positiv. In diesem Punkt trauen viele den Liberalen mehr zu als Labor. Und so zeichnet sich ein enges Rennen ab. Obwohl die Liberal Party bei fast allen Umfragen hinten lag, könnte ihr laut Experten erneut ein Überraschungssieg gelingen - wie 2019, als ScoMo sich allen Unkenrufen zum Trotz knapp gegen seinen Labor-Herausforderer Bill Shorten durchsetzte.

Bei aller Unsicherheit bezüglich des Ausgangs müssen sich die Kandidaten aber wenigstens um einen Punkt keine Sorgen machen: Die Wahlbeteiligung. In Australien herrscht Wahlpflicht.

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