Schokolade unter der Lupe

Skurrile Forschung rund ums Naschen

Foto: Freepik/Freepik
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BERLIN: Steigt mit Schoko-Hilfe der Absatz von Liebesromanen? Erhöht sich die Chance, einen Nobelpreis zu erhalten, wenn mehr genascht wird? In der Wissenschaft wurde Schokolade schon auf kurioseste Weise untersucht.

Auch in der Forschung gibt es Naschkatzen. Schokolade ist daher gar nicht so selten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Diese sind teilweise ziemlich erstaunlich. Zum Internationalen Tag der Schokolade am Dienstag (13. September) lohnt ein Blick auf die unterhaltsame Seite der Süßwarenforschung. Zwar ist die Urheberschaft des Gedenktages unbekannt, er bezieht sich aber wohl auf den Geburtstag des legendären US-Süßwarenherstellers Milton S. Hershey.

Schnell zugreifen: Wie lange dauert es, bis eine frei verfügbar herumliegende Pralinenschachtel geleert ist? Dieser Frage gingen Ärzte in Großbritannien unter Berücksichtigung zweier Marken nach. «Geschenke von Patienten und ihren Familien machen den Großteil des Schokoladenkonsums der Beschäftigten im Gesundheitswesen aus», schreiben die Mediziner. Für ihre kleine, 2013 präsentierte Studie legten sie auf vier Krankenstationen in verschiedenen Kliniken jeweils zwei Pralinenschachteln aus und beobachteten deren Leerung.

Im Schnitt seien zwölf Minuten vergangen, bis eine Schachtel nach ihrem Auftauchen geöffnet wurde, heißt es in der Analyse des Teams um den Mediziner Parag Gajendragadkar?. Zuerst habe das Personal schnell zugelangt, später sei ein «gleichmäßiger und mit der Zeit immer langsamer werdender Konsum» beobachtet worden. Nach rund eineinhalb Stunden war im Mittel die Hälfte einer Box geleert. Am Ende war sogar noch Konfekt übrig - welche Sorte, wurde nicht mitgeteilt.

Leselust geht durch die Nase: Manche können dem Duft alter Bücher nicht widerstehen. Andere wiederum werden offenbar vom Aroma feinster Naschereien verleitet. Zumindest wurde in einer Studie in der Schoko-Nation Belgien 2013 herausgefunden, dass der Geruch von Schokolade den Verkauf von Büchern steigern kann - besonders den von romantischer Literatur.

Das Team um Forscherin Lieve Doucé hatte zehn Tage lang Beobachtungen in einer Buchhandelskette angestellt und festgestellt: Die Kundschaft stöberte bei Schokoladenduft mehr als doppelt so häufig in Büchern und suchte weniger zielgerichtet nach Titeln. 40 Prozent mehr Liebesromane und Kochbücher seien verkauft worden.

Dass Gerüche den Einkauf beeinflussen, ergab auch eine 2021 vorgestellte Metastudie. Bei der Prüfung von 20 Einzelstudien - darunter die belgische - kamen die dänischen und polnischen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zum Schluss, dass angenehmer Duft generell meist eine positive Wirkung hat. Es gebe eine stärkere Bindung an das Geschäft und eine höhere Kundenzufriedenheit. Ein Einfluss auf das tatsächliche Kaufverhalten war nicht bei allen untersuchten Studien eindeutig nachzuweisen.

Schokolade essen, Nobelpreis gewinnen? So einfach ist es nicht. Und dennoch ist die These in der Welt, dass mit dem Schokoladenkonsum in einer Nation auch die Zahl der Nobelpreisträger steige. Der Schweizer Mediziner Franz Messerli stellt 2012 in einem - sehr augenzwinkernden - Aufsatz mögliche Zusammenhänge zur Debatte: «Man bräuchte etwa 0,4 Kilogramm Schokolade pro Kopf und Jahr, um die Zahl der Nobelpreisträger in einem bestimmten Land um 1 zu erhöhen.» Spitzenreiter in beidem sind seinerzeit natürlich: die Schweizer.

Einige Forscher zerreißen Messerlis Hypothese («eines der seltsamsten und bizarrsten Paper, die ich seit langem gesehen habe»). Andere kommen neben ihrer Kritik am Versuchsaufbau zu dem Schluss, man könne ebenso die Verbreitung von Ikea-Möbelmärkten mit der Anzahl von Nobelpreisen in Verbindung bringen. Denn augenscheinlich ist eine dritte Variable relevant: der Lebensstandard. Dieser kann sowohl den Konsum von Genussmitteln als auch das Niveau der wissenschaftlichen Forschung beeinflussen. Im Endeffekt gilt hier also: Korrelation heißt nicht automatisch Kausalität.

Löffelgefahr: Eine schon 2017 vorgestellte Studie beschäftigte sich mit einem alljährlich wiederkehrenden Phänomen. «Traumatische Amputationen von Kaninchenohren aus Süßwaren scheinen saisonal bedingt zu sein und mit dem Osterfest zusammenzuhängen», heißt es in dem Papier eines Detroiter Wissenschaftsteams. Eine Untersuchung von Bildern und Texten der vorangegangenen fünf Jahre im Internet habe ergeben, dass die Zahl solcher Verletzungen bei Schokohasen jeweils zwischen Ende März und Mitte April sprunghaft angestiegen sei.

«Die häufigsten Täter scheinen Menschen jeden Alters zu sein», schreibt das Team um HNO-Ärztin Kathleen Yaremchuk in seinem augenzwinkernden Aufsatz. Grund für den Anstieg der Fälle sei das starke Wachstum der Schokohasen-Populationen im Frühjahr und der dadurch vermehrte Kontakt zum Menschen. Abzuraten sei davon, die fehlenden Löffel rekonstruieren zu wollen: «Denn oft erleidet der Rest des Kaninchens bald ein ähnliches Schicksal.»

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