Neulich, am Strand: Die wichtigen Dinge im Leben

Neulich, am Strand: Die wichtigen Dinge im Leben

Die Rentendiskussion ist wieder einmal im vollen Gange. Aber irgendwie kommt es mir vor, als bereden wir immer wieder dasselbe. Es ist doch schon alles einmal gesagt worden. Und welche Ansichten die jeweiligen Redner haben, ist auch längst bekannt.

Klaus, Helmut und Fredy beackern ihr Lieblingsthema, während andere nur zuhören. Ich stehe abseits und höre mir das Streitgespräch an. Es geht nicht lange, bis das Gespräch an einem toten Punkt angelangt ist. „Was meinst denn du?“, wendet sich Fredy an mich. Vielleicht verspricht er sich, dass ich ihn in seiner Meinung unterstütze. Doch ich entgegne: „Ich meine, dass ihr über diese Sachen alle paar Tage referiert. Was kümmert es mich denn, ob die Rente mit 67, 70 oder 90 kommt. Ich bin hier und damit hat es sich.“ Peng. Damit hätte Fredy nicht gerechnet. „Du nörgelst aber auch immer an allem herum“, sagt Klaus an mich gewandt. „Ich nörgle nicht herum, ich habe nur an allem etwas auszusetzen“, berichtige ich. Die Lacher sind auf meiner Seite. Helmut, der Fredy stets am meisten widerspricht, legt gleich nach: „Ich habe ja meine Rente schon. Warum sprechen wir nicht über die wirklich wichtigen Dinge im Leben?“ „Helmi“ bemerkt die Reaktion der Zuhörer und macht eine wichtige Miene. Das weckt meine Neugier. „Was denn zum Beispiel?“, will ich wissen. „Na, zum Beispiel, warum die Menschen die Augen zukneifen, wenn sie auf dem Klo hocken“, grinst Helmut. „Ach, du mit deinen Späßen“, winkt Klaus enttäuscht ab. „Ho, ho. Aber Recht hat er. Für die wichtigen Dinge im Leben läuft uns die Zeit davon, während wir über so sinnlose Dinge plappern“, lache ich. Helmut hält sich die Hand als Blendschutz an die Stirn und schaut in die Ferne. „Ja, wo läuft sie denn hin? Die Zeit! Wo läufst du denn?“, äfft er Didi Hallervorden nach. Belustigt mimen wir mit. Ich bin damit zufrieden, die Rentendiskussion für heute erledigt zu haben. „Ok, kann mir jetzt aber einer sagen, weshalb man die Augen zukneift?“, meldet sich einer. Keiner wagt eine Antwort zu geben. „Seht ihr? Der hat begriffen, wie ernsthaft dieses Problem ist“, triumphiert „Helmi“.

Entenhausener Stadtpark

„Ihr Schweizer habt es doch gut, ihr seid nicht in der EU. Du kannst alle paar Monate euren Politikern die Meinung geigen mit euren Abstimmungen“, beginnt ein anderer ein neues Gespräch mit mir, und fügt an: „Wie sollte denn Europa sein, dass ihr bei uns auch mitmachen wollt?“ Ich schaue ihn an. „Willst du mein Freund bleiben, oder mit mir über Politik reden? Also, als Schweizer“, beginne ich und stelle mich auf das Mäuerchen wie auf ein Rednerpodest, „würde ich euch im Norden empfehlen, Lothar Matthäus oder Dieter Bohlen als Kanzler auf Lebzeiten zu nehmen. Dazu wäre es vermutlich am besten für Euch, die Monarchie wieder einzuführen. So einen Kaiser ist doch auch nicht schlecht! Wir Schweizer hätten da noch unseren nicht mehr benötigten König Sepp Blatter, den wir an Euch ausleihen könnten.“ Meine Zuhörer sind amüsiert. „Du willst damit sagen, dass ihr Schweizer uns etwas kostenlos abgeben wollt? Da muss doch was faul dran sein“, reklamiert Fredy. Einige Passanten, die auf der Promenade flanieren, wenden ihre Köpfe in unsere Richtung. „Vermutlich sind das deutschsprechende Touristen, die sich über ihre eigenartigen Landsleute hier in der Gegend wundern. Sie denken sich wahrscheinlich das, was ich stets in Verdacht hatte: Die hiesige Promenade ist zum Entenhausener Stadtpark verkommen. Comicfiguren, wohin man schaut“, bemerkt Helmut. „Na, was meint ihr, wollen wir jetzt nicht über etwas Wichtigeres diskutieren?“, hackt er nach. „Also wir verabschieden uns. Wir gehen Fußball gucken“, verlassen zwei unsere Runde.

Nun ist aber auch Klaus aufgetaut und nimmt das Thema Fußball gleich auf: „Ist es euch auch schon aufgefallen, dass noch nie ein Schiedsrichter ein Tor geschossen hat? Nicht EIN Tor, die ganzen 34 Runden.“ Gelächter. Jäh! Das ist ja ganz was Neues. „Ja, stimmt. Kriegen einfach nix hin. Völlig unbrauchbar, diese Schiedsrichter“, ruft Fredy unterstützend. Ich setze hinzu: „Wären die in einem Verein, würden die alle rausgeschmissen.“ „Dann wären sie aber wieder nicht in einem Verein“, gibt „Helmi“ belustigt zu verstehen. „Ein Dilemma. Und trotzdem spielen sie bestimmt wieder mit. Und die Beiden“, ich deute den Weggehenden hinterher, „gehen nun so ein Scheißspiel gucken.“ Da sind wir Verbliebenen schon schlauer. Wir vertrödeln doch nicht unsere Zeit damit, zuzuschauen, wie gut zwei Dutzend erwachsene Männer einem Ball hinterherrennen. Nö. Wir besprechen hier die wirklich wichtigen Themen der Zeit. Und die Zeit läuft uns ja davon. Es wäre vielleicht am besten, wenn die Zeit die Probleme gleich mitnähme, wenn sie uns davonläuft. Dann hätten wir, Senioren, wieder Zeit sich den täglichen Banalitäten zu widmen und müssten uns nicht verantwortlich fühlen, wenn wieder alles den Bach runter geht. So verschwenden wir unsere Zeit mit stundenlangen, blödsinnigen Gesprächen. Solange, bis die zwei Fußballgucker wieder dahergeschlurft kommen.

„Na, wie ging das Spiel aus?“, will ich wissen. „0:0. So viele Spieler und kein Tor“, gibt der Rückkehrer zur Antwort. „Siehst Du. Auch nicht vom Schiedsrichter“, sieht sich Klaus bestätigt. „Und ihr? Wisst ihr nun wenigstens, warum man die Augen zukneift?“, kommt prompt zurück. Da muss Klaus aber auch passen. „Na, dann gehe ich jetzt mal aufs Klo. Zu Studienzwecken! Wenn ich was rausfinde, sage ich es euch morgen.“ Sagt es und geht – zu Studienzwecken!

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