Es begab sich im deutschsprachigen Raum in Europa zu unserer Zeit, dass viele Untertanen mit den Obrigkeiten unzufrieden waren. Und obwohl sie lauthals reklamierten und unter sich, am Stammtisch und ähnlichen Orten, alles, was sie unzufrieden machte, rauf und runter debattierten, wollte einfach keine Besserung der schlechten Zustände eintreten. So fingen einige an, Leserbriefe und Kommentare an die Redaktionen im ganzen Lande zu senden. Dies war ja ihr gutes Recht! Sie schrieben und reklamierten, zuerst fast jeden Tag. Über dies und über das. Es gab fast nichts, was nicht irgendjemandem nicht passte. Die Politik, die Löcher in den Straßen, die Ausländer, aber auch die Nachbarn. Kein Thema gab es, was nicht einem Schreiber wert war, sich darüber öffentlich zu ärgern.
Doch nichts verbesserte sich in den weiten Landen Europas. Als das nichts fruchtete, bemächtigten sie sich des Internets, wo sie das, was ihnen in der Nase stach, „just in time“ von sich lassen konnten. Die Schreiberkolonne von Unzufriedenen wurde immer größer. Jeder, der etwas zu bemängeln hatte, stänkerte und pöbelte im Internet in Foren und in Leserbriefseiten bei den Zeitschriften über gerade das, was ihn ärgerte. Doch, aber wehe: Wenn denn der das las, der das Motzen und das Gestänkere anging, passte dem das auch nicht. So ging auch der hin und schrieb sich seine Wut von der Seele und setzte gleich eine Meldung ins Netz ab. Weil nun aber so viele ihren Senf zu allem Nötigen und Unnötigen hinausplärrten, begannen sich die Unzufriedenen untereinander zu streiten. Bis dahin waren sich die Stänkerer ja wenigstens einig, dass man zusammen über die anderen stänkerte. Doch nun waren auf einmal die anderen sie selbst. Somit war auch der letzte Rest an Zufriedenheit dahin. Nicht einmal in Ruhe stänkern konnte man. Und so begab es sich, dass bald die ganzen Zeitungen und Medien voll waren von dämlichen Meinungsäußerungen, Gezänk und allerlei Dummheiten, was ein angeblich gebildeter Mensch von sich geben kann. Alles von Leuten, die ja sonst nichts zu sagen haben, weil ja immer noch die „Oberen“ das Sagen hatten. Auch in den Fernsehmedien hielt dies Einzug. Die Unzufriedenheit stieg ins Unerträgliche. Als die ein bisschen Schlaueren unter den Motzern merkten, dass sie mit ihren Protesten im Land nichts bewirken können, gelangten diese zur Einsicht, man müsse sich halt nach Alternativen umschauen.
So verließen viele ihre Heimat und begannen in der Fremde ein neues Leben. Zu Hause waren die Daheimgeblieben froh, dass nun einige Ewigreklamierer weg waren. Natürlich suchten sich die Emigranten nicht die Sahelzone oder den Polarkreis für ihr künftiges Leben aus. Da hätte es auch viel zu viel zu beanstanden gegeben. Nein. Das Paradies war gerade gut genug! Ab nach Thailand. Das Land, wo das Bier noch bezahlbar ist. Das Land, wo die kümmerliche Rente auch nach einigen Eskapaden nicht gleich weg ist. Thailand, das Land, wo man seine Stänkerer-Kollegen wiederfindet. Dazu der Dauersommer, nicht so wie in D-A-CH! Von den Mädels des Landes ganz zu schweigen. Einfach ein Paradies! Nix, wie hin.
Stänkerkumpanen unter Palmen
Also fanden sich viele Stänkerkumpanen unter den Palmen wieder. Und sie waren so froh, wieder unter sich zu sein und, ohne Störungen von noch besser Wissenden, lästern und kläffen zu können, wie das Herz begehrt. Und wie sie motzten. Und wie sie stänkerten. Es gab kein Halten. Doch die immigrierten Griesgrame waren glücklich und frönten dem „Dolce-far-niente“-Leben. Außer dem Lästern. Das war das einzige, das ihnen Lebensinhalt gab. Egal, mit wem man gerade zusammensaß, man hatte immer gleich ein Thema, wo man seine Überlegenheit demonstrieren konnte. Welch eine Wohltat, wenn man sein Ego aufpolieren konnte, auch wenn der Gesprächspartner genauso einer wie man selbst war: Einer, der nichts zu sagen hat! Aber man konnte lästern. Das war ja die Hauptsache. Aber eben. Auf die Dauer halt auch langweilig.
So fanden bald einmal einige Weltverbesserer, man könne doch den Oberen in Thailand einige Vorschläge unterbreiten, wie und was man denn alles besser machen könne hier im Lande. Die Thais werden sich für ihre Hilfe sicherlich freuen. Schlaglöcher in den Straßen, Gehwege, die nicht passierbar sind. Und überhaupt der Straßenverkehr! Und die Abzocke hier. Überall! Und die Korruption, allgegenwärtig. Selbst die Ladies wollen immer mehr Kohle haben. Und dann das Alkoholverkaufsverbot am Nachmittag. Und das Verbot zu saufen an Feiertagen. Nix zu saufen, das hindert doch die Entwicklung des Landes. Der Dreck im Meer. Die Visaregeln. Und so weiter und so fort. Wissen denn das die da oben nicht? Das muss man denen doch sagen. So begannen die ersten, einen Kommentar abzusondern. Das wurde natürlich von denen ebenfalls freiwillig geflüchteten Europäern aufgenommen und zugleich ebenfalls kommentiert. So ist es also gekommen, dass die Vorruheständler aus aller Welt ihr geistiges Potenzial hier gratis dem Land Thailand zur Verfügung stellen. Nur eben – die Thais verstehen das alles nicht. Das meinen wenigstens die hergekommenen Farangs. So schreiben sie der Obrigkeit des Landes ihre Anliegen in den Leserkommentaren der Zeitschriften oder im Internet. Da hauen sie nun so richtig zu. Nicht so, wie zu Hause. Da musste man ja zum Schluss vorsichtig sein, wenn der Nachbar Mohamed erfahren hätte, was man über ihn denkt. Nein, hier kann man so richtig die Sau rauslassen. Schonungslos. Und am besten gleich den Thaibehörden auch mal die Meinung geigen. Der nächste Polizist oder Immigrationsbeamte wird da schon mal herhalten müssen. Und wenn dann der angesprochene Staatsdiener sich mit: „Du „ðñ¿€.¶xþÿ÷-Farang“ bedankt, weißt du, dass du dein Ziel erreicht hast, wieder allen auf die Nerven zu gehen. Bloß, der Thai hat sehr wohl verstanden. Nur er will nichts von deiner Besserwisserei hören. Er hat vermutlich selbst schon genug eigene Leute, die ihm den Kopf volllabern.