Marokko will Kontakt aussetzen

​Deutsche Organisationen überrascht

Bundeskanzlerin Angela Merkel (R) begrüßt den marokkanischen Außenminister Nasser Bourita (L). Archivfoto: epa/FELIPE TRUEBA
Bundeskanzlerin Angela Merkel (R) begrüßt den marokkanischen Außenminister Nasser Bourita (L). Archivfoto: epa/FELIPE TRUEBA

RABAT: Als «spannungsfrei» beschreibt die Bundesregierung das Verhältnis mit Marokko. Doch das Land will den Kontakt mit der deutschen Botschaft und deutschen Organisationen auf Eis legen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Rabat die diplomatischen Beziehungen als Druckmittel nutzt.

Nach Berichten über einen Entschluss Marokkos, die Beziehungen zur deutschen Botschaft und den mit ihr verbundenen Organisationen im Land auszusetzen, bemüht sich die deutsche Seite um Klärung. Man stehe deshalb in Kontakt mit der deutschen Botschaft, hieß es aus dem Büro der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Rabat am Dienstag. «Wir arbeiten weiter an unseren Projekten, aber gerade müssen einige Dinge geklärt werden», sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Vertreter deutscher politischer Stiftungen im Land zeigten sich ebenfalls überrascht.

Die Nachrichtenseite «Medias24» hatte am Montagabend ein Schreiben des marokkanischen Außenministers Nasser Bourita veröffentlicht. Darin werden marokkanische Behörden gebeten, «jeglichen Kontakt» mit der Botschaft und mit ihr verbundenen deutschen Organisationen auszusetzen. Als Grund werden lediglich «tiefe Missverständnisse» zu «grundlegenden Fragen des Königreichs Marokko» genannt. Die genauen Gründe für den Schritt blieben am Dienstag zunächst unklar.

Eine offizielle Mitteilung von marokkanischer Seite gab es zunächst nicht. Das dortige Außenministerium kommentierte den Vorgang auf dpa-Nachfrage ebenfalls nicht. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, Deutschland sehe «keinen Grund für eine Beeinträchtigung der guten diplomatischen Beziehungen zu Marokko». Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt habe die marokkanische Botschafterin in Berlin zu einem dringenden Gespräch und um Erläuterung des Vorgangs gebeten.

Der Schritt erfolgte offenbar ohne Vorwarnung an die Botschaft oder an die Organisationen. Erste Auswirkungen scheinen sich aber schon anzudeuten: «Einige Partner haben uns gebeten, Veranstaltungen auf nächste oder übernächste Woche zu verschieben», sagte Steffen Krüger, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Marokko. «Wir vermuten, dass das eine Akkumulierung verschiedener Probleme und Ursachen ist», sagte Krüger der dpa mit Blick auf mögliche Auslöser.

Aus diplomatischen Kreisen in Marokko hieß es, ein Grund könnte der Streit um die Westsahara sein. Marokko erhebt Anspruch auf die dünn besiedelte Region, was international aber nicht anerkannt wird. Deutschland hatte im Dezember eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats dazu einberufen - kurz nach der umstrittenen Ankündigung der USA unter Ex-Präsident Donald Trump, diesen Hoheitsanspruch anzuerkennen.

Ein wunder Punkt könnte auch die Tatsache sein, dass Marokko nicht zur Berliner Libyenkonferenz Ende 2019 eingeladen wurde. Marokko ist regionaler Nachbar Libyens und war auch Gastgeber von Gesprächen des libyschen Parlaments beim Versuch, den dortigen Konflikt zu beenden.

Das Unterbrechen des diplomatischen Kontakts sei «ein beliebtes Mittel der marokkanischen Außenpolitik», heißt es aus der deutschen Gemeinde in Marokko. «Druck aufzubauen ist eine Verhandlungstechnik, die wir nicht ganz so gut durchschauen.» 2016 hatte das Königreich etwa auch die diplomatischen Beziehungen mit der Europäischen Union ausgesetzt. Es war ein Protest gegen ein Urteil des EU-Gerichts zum Agrar- und Fischereiabkommen der EU mit Marokko. Das Gericht hatte das Abkommen für teils ungültig erklärt, weil darin auch die von Marokko annektierten Gebiete der Westsahara eingeschlossen wurden.

Das Auswärtige Amt beschreibt die Beziehungen mit Marokko als «traditionell eng, freundschaftlich und spannungsfrei». Beide Länder pflegen auch starke Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. «Wir sind heute erstmal dabei, die Situation zu analysieren», sagte Sebastian Vagt, Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Marokko. »Die Lage ist gestern für uns sehr überraschend eingetreten», hieß es auch aus dem dortigen Büro der Hanns-Seidel-Stiftung.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.