Hoffnung auf Überlebende schwindet - Helfer erschöpft

In Marrakesch sammeln Marokkaner Waren, die für die Erdbebenopfer gespendet wurden. Foto: epa/Jalal Morchidi
In Marrakesch sammeln Marokkaner Waren, die für die Erdbebenopfer gespendet wurden. Foto: epa/Jalal Morchidi

RABAT: Die Bergungstrupps in Marokkos schwer zugänglichen Erdbebengebieten arbeiten bis zur Erschöpfung. In Dörfern, die sie erreichen, kämpfen sie sich Seite an Seite mit den verzweifelten Bewohnern mühsam durch die Trümmerberge. Doch sie müssen mit dem Schlimmsten rechnen.

In den vom Erdbeben verwüsteten Bergdörfern Marokkos besteht für die verzweifelten Bewohner und Einsatzkräfte kaum noch Hoffnung auf Überlebende. Bis an den Rand der Erschöpfung kämpfen sich die Rettungstrupps mit Unterstützung ausländischer Spezialisten bei Hitze durch das schwer zugängliche Gelände vor, legen teils mit bloßen Händen Trümmer frei, während in der Luft Leichengeruch hängt. Dutzende Dörfer seien zerstört, berichtete die marokkanische Nachrichtenseite «Hespress». Die Einwohner müssten nicht nur die Toten bergen und begraben, es mangele auch an Lebensmitteln und Wasser.

Der Einsatzleiter eines britischen Hilfstrupps warnte im britischen Sender BBC vor einem steigenden Risiko von Krankheiten, wenn sich die Hilfe weiter verzögere. Nach ersten Informationen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) sind etwa 100.000 Kinder von der Katastrophe betroffen. Tausende Häuser seien in dem Land zerstört worden. Dadurch seien viele Familien obdachlos geworden und müssten die derzeit kalten Nächte im Freien verbringen.

Die marokkanische Regierung steht unter wachsendem Druck, mehr internationale Hilfe anzunehmen. Bisher hat Marokko nur Hilfe aus vier Ländern akzeptiert - Spanien, Großbritannien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Gerechtfertigt wurde das damit, dass es zu chaotisch wäre, wenn plötzlich Teams aus der ganzen Welt in Marokko eintreffen würden. Auch Deutschland bot erneut Hilfe an. Bislang zeigte die Regierung in Rabat daran jedoch kein Interesse.

Bis Montagabend wurden mindestens 2862 Tote gezählt, darunter Kinder. Es gebe mindestens 2562 Verletzte. Es sei damit zu rechnen, dass Nachbeben auch in den kommenden Tagen und Wochen andauern und Kinder und Familien gefährden, so Unicef. Schulen, Krankenhäuser und andere medizinische und pädagogische Einrichtungen seien durch das Beben beschädigt oder zerstört worden, was die Kinder zusätzlich belaste.

Der ehemalige Präsident des deutschen Technischen Hilfswerks (THW), Albrecht Broemme, nahm die Einsatzleitung in Marokko im ZDF in Schutz. Marokko habe einen «vom König gut geförderten Zivilschutz, der sich gut informiert hat. Der gut ausgebildet wurde», erklärte Broemme. Das Land habe zudem «ganz hervorragende «Search & Rescue-Teams»». Marokko versuche, die Lage selbst zu beurteilen. «Also gut gemeinte Hilfe ist nicht immer gut gemacht», so Broemme.

Die Behörden hätten mittlerweile Feldlazarette in der Nähe des Epizentrums eingerichtet, um dort Verletzte zu versorgen, sagte Marokkos Justizminister Abdel Latif Wehbe dem arabischen TV-Sender Al-Arabiya am Montag. Derzeit könne man die genaue Anzahl der Toten und Schäden nicht klären. Am Montag hatten Militärhubschrauber zudem Hilfspakete über schwer zugänglichen Bergregionen abgeworfen.

Die Bevölkerung brauche neben humanitärer Hilfe nun auch vor allem psychologische Unterstützung, erklärte die Hilfsorganisation Care. «Neben den enormen physischen Verwüstungen wiegt vor allem auch der emotionale Schaden, der von dem erlebten Grauen und der ausgestandenen Angst verursacht wurde, sehr schwer», erklärte Hlima Razkaoui, Generalsekretärin von Care Marokko, in einem Bericht.

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Johann Mueller 12.09.23 11:10
Die Lage ist unübersichtlich, zum Verzweifeln....
In den meisten Regionen der Welt ist nicht das Beben zu stark, sondern die Infrastruktur zu schwach.