Linkskandidat zieht in Stichwahl ein

Der Präsidentschaftskandidat der guatemaltekischen Partei Movimiento Semilla (Saatgutbewegung), Bernardo Arevalo (2.v.r.), verlässt das Auszählungszentrum für die Parlamentswahlen am frühen 26. Juni 2023. Foto: epa-efe/Esteban Biba
Der Präsidentschaftskandidat der guatemaltekischen Partei Movimiento Semilla (Saatgutbewegung), Bernardo Arevalo (2.v.r.), verlässt das Auszählungszentrum für die Parlamentswahlen am frühen 26. Juni 2023. Foto: epa-efe/Esteban Biba

GUATEMALA-STADT: Die Bürger signalisieren ihren Unmut bei der Präsidentenwahl in Guatemala. Unerwartet schafft es ein Politiker, der der Korruption den Kampf ansagt, in die zweite Runde. Die hohe Zahl der sogenannten Null-Stimmen gilt auch als Protestbekundung.

Die Präsidentenwahl in Guatemala geht mit einem Überraschungskandidaten in die zweite Runde: Dem Linksbewerber Bernardo Arévalo gelang beim ersten Durchgang am Sonntag unerwartet der Einzug in die Stichwahl. Am 20. August wird der Antikorruptionskämpfer von der Partei Movimiento Semilla (Bewegung Saatkorn) gegen die frühere Präsidentengattin Sandra Torres von der sozialdemokratischen Partei UNE antreten. «Ein klarer Trend ist bereits erkennbar», teilte das Wahlamt des mittelamerikanischen Landes nach der Auszählung fast aller Stimmen am Montag mit.

Stärkste Kandidatin in der ersten Wahlrunde wurde Torres (67) mit 15,7 Prozent. Die Ex-Frau des früheren Präsidenten Álvaro Colom, der von 2008 bis 2012 regierte, war bei den vergangenen beiden Wahlen jeweils in der Stichwahl gescheitert. Arévalo kam überraschend auf 11,8 Prozent der Stimmen. In den jüngsten Umfragen hatte der Abgeordnete und frühere Botschafter in Spanien gerade einmal auf dem achten Platz gelegen.

Arévalo ist der Sohn des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Guatemalas, Juan José Arévalo (1945-1951). Der Soziologe wurde im südamerikanischen Uruguay geboren, nachdem die Familie ins Exil getrieben wurde. Der 64-Jährige will im Falle eines Wahlsiegs vor allem gegen die weit verbreitete Korruption vorgehen. Seine Partei entstand nach den bürgerlichen Protesten von 2015 gegen die Korruption.

Ihrem Unmut über das politische Establishment machten die Bürger in den Wahllokalen Luft. 17,3 Prozent der Wähler machten ihre Stimmen mit dem sogenannten «voto nulo» (Null-Stimme) absichtlich ungültig. Keiner der 22 Präsidentschaftskandidaten erhielt mehr Stimmen. Nach dem Ausschluss mehrerer Kandidaten aus fragwürdigen Gründen hatte eine Protestbewegung aufgerufen, die eigene Stimme ungültig zu machen.

Die Wahl am Sonntag war von Manipulationsvorwürfen überschattet. Der unbeliebte konservative Präsident Alejandro Giammattei durfte laut Verfassung nach seiner vierjährigen Amtszeit nicht erneut antreten. In dem mit rund 17 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Mittelamerikas wurden auch Abgeordnete und Bürgermeister gewählt.

Oppositionelle und unabhängige Experten hatten in Zweifel gezogen, dass die Wahlen unter fairen Bedingungen stattfinden würden. Auch die Europäische Union und die US-Regierung äußerten Sorge. Kandidaten würden aus «scheinbar willkürlichen Gründen» von der Wahl ausgeschlossen, prangerte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, an. Zudem wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Anti-Korruptionsrichterinnen und Staatsanwälte strafrechtlich verfolgt und ins Exil getrieben.

Bei der Wahl wurden auch einige Zwischenfälle gemeldet. Im Ort San José del Golfo, nahe der Hauptstadt Guatemala-Stadt, wurde die Stimmabgabe abgesagt, nachdem am Samstagabend 130 Wahlhelfer angegriffen worden waren. Nach Medienberichten hielten Anwohner diese für Menschen, die von außen herbei geholt worden seien, um unrechtmäßig in dem Ort ihre Stimmen abzugeben.

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