Schweizer Familie wandert gen Norden aus

​Leben im Wasserturm

Foto: Freepik
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CUXHAVEN: Der 48 Meter hohe Wasserturm ist eine der ungewöhnlichsten Immobilien in Cuxhaven. Gekauft hat ihn vor vier Jahren die Schweizer Familie Caboussat. Sie will darin ein Café eröffnen. Das Schweizer Fernsehen begleitet das Auswandererprojekt.

Klassische Auswanderer sind die Caboussats aus dem Emmental in der Schweiz nicht. Weder wollten sie unbedingt aus ihrer Heimat weg, noch zog es sie wie so viele andere Richtung Südeuropa oder nach Übersee.

«Die Schweiz ist top», sagt Alain Caboussat (50). Dennoch wanderte die vierköpfige Familie ins norddeutsche Cuxhaven aus. Nicht wegen der Nordsee, sondern wegen des 48 Meter hohen historischen Wasserturms, Baujahr 1897. Er ist ein unübersehbares Wahrzeichen der niedersächsischen Stadt.

«Wir haben ihn im Internet gesehen und gedacht: Der ist wunderschön», sagt Mirabelle Caboussat (53). In dem denkmalgeschützten, 2004 stillgelegten Turm wollen sie und ihr Mann Alain im Erdgeschoss ein Café und darüber Ferienwohnungen einrichten. 2017 unterschrieben sie den Kaufvertrag.

Seitdem kämpft das Schweizer Ehepaar mit der deutschen Bürokratie, Denkmalschutzauflagen, ausgebuchten Handwerkern und schließlich auch mit Corona-Beschränkungen. Eröffnung soll nun aber endlich spätestens in einem Jahr sein. «Es wird auch Zeit», sagt Mirabelle Caboussat.

In der Schweiz hatte das Ehepaar eigentlich alles, was es wollte: gute Jobs, ein Haus, einen Freundeskreis. «Aber wir hatten ein paar Schicksalsschläge, deshalb wollten wir noch mal etwas anderes in unserem Leben machen», erzählt Mirabelle Caboussat. Der Messeleiter und die Handbuchbinderin wollten ein Café eröffnen - am liebsten in einer außergewöhnlichen Immobilie.

Dafür durchstöberten sie das Internet nach europaweiten Immobilienangeboten. «Es gab Kirchen in Schottland, Gutshöfe in Frankreich, Mühlen in Holland und Belgien», erzählt Alain Caboussat. Acht Objekte schauten sie sich vor Ort an. «Aber die meisten waren irgendwo auf dem Land. Da stellte sich für uns die Frage: Wie bringen wir die Gäste dort hin?»

Der markante Wasserturm in Cuxhaven dagegen steht mitten in der Stadt, in unmittelbarer Nähe zum Hafen und zum Bahnhof. «Das war auch für unsere Jungs wichtig», sagt Mirabelle Caboussat. Inzwischen sind die Söhne 19 und 17, der eine macht eine Ausbildung zum Hotelfachmann, der andere will Konditor werden. «Der Ältere wird wohl zurück in die Schweiz gehen.» Der Rest der Familie bleibt in Cuxhaven. «Wir sind gut angekommen», sagt Mirabelle Caboussat. Auch wenn es nicht immer einfach gewesen sei.

Lina Falivena, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven, kennt Migrationsgeschichten wie diese und ihre vielfältigen Gründe. «Neben den bekannteren Gründen wie die Suche nach einem Arbeitsplatz, einer Flucht oder dem Familiennachzug kann der Antrieb auch Neugierde oder Lust auf einen Neuanfang in einer anderen Umgebung sein», sagt sie. Nach Immobilien im Ausland zu suchen sei ein Phänomen, das in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachten sei. «Besonders beliebt ist im Moment zum Beispiel Portugal, dort kaufen sich Familien oder einzelne Personen meist ältere Landhäuser, um diese zu renovieren, teilweise zu vermieten oder selbst dort zu leben», sagt Falivena.

Die Caboussats wollen drei Ferienwohnungen im Wasserturm errichten - noch sind aber nur die Wände und Böden freigelegt. Die Handwerker sollen in ein paar Wochen endlich mit der Arbeit beginnen. Das Bauwerk, an dem bereits ein früherer Investor gescheitert war, stellte sich bei näherer Betrachtung als sanierungsbedürftiger heraus als gedacht.

Auf ihrem Weg ins neue Leben werden die Coboussats vom Schweizer Fernsehen SRF für die beliebte Auswandererserie «Auf und davon» begleitet. Sie hätten dadurch eine kleine Fangemeinde bekommen, erzählt Alain Caboussat. Regelmäßig komme es vor, dass Schweizer Touristen bei ihrem Kaffee-Wagen vorbeischauen, den sie seit einem Jahr in Cuxhaven betreiben.

So ist es auch an diesem Tag. Ein junges Paar aus der Schweiz wartet geduldig, bis Alain Caboussat sein Cafémobil - einen ausgebauten Citroën aus den 1970er Jahren - verkaufsbereit hat. «Wir kennen sie aus dem Fernsehen», sagt Andy Hofstetter. Er und seine Freundin seien gerade auf Norddeutschlandtour und spontan vorbeigekommen, um sich den Wasserturm anzuschauen und die Caboussats kennenzulernen. «Es ist wirklich überraschend, dass niemand von den Einheimischen das Projekt in Angriff genommen hat», sagt Selina Rickenbacher. Sie können sich gut vorstellen, noch einmal nach Cuxhaven zu kommen, wenn der Wasserturm eröffnet ist.

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