ZAGREB/BRÜSSEL: Keine Partei hat bei der Parlamentswahl im EU- und Nato-Land Kroatien die absolute Mehrheit bekommen. Nun könnten Rechtsnationalisten als mögliche Koalitionspartner die Königsmacher werden.
In Kroatien zeichnet sich nach der Parlamentswahl eine schwierige Regierungsbildung ab, die auch einen Rechtsruck zur Folge haben könnte. Die bürgerliche Partei HDZ von Ministerpräsident Andrej Plenkovic blieb zwar stärkste Kraft, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Plenkovic schloss am Donnerstag eine Koalition mit der drittplatzierten rechtsnationalistischen Partei Domovinski Pokret (Heimatbewegung) nicht aus. «Wir werden mit jenen reden, die bereit sind, zu reden», sagte er kroatischen Medien auf eine entsprechende Frage am Rande des EU-Gipfeltreffens in Brüssel.
Wie die Wahlkommission nach Auszählung fast aller Stimmzettel bekanntgab, erhielt Plenkovic' Partei HDZ mit ihren Verbündeten 34,4 Prozent der Wählerstimmen. Das entspricht 61 von insgesamt 151 Parlamentsmandaten. Es sind um 5 Mandate weniger für die HDZ als bei der vergangenen Wahl. Auf Platz zwei kam das dem Staatspräsidenten Zoran Milanovic nahestehende linksliberale Oppositionsbündnis Rijeke Pravde (Flüsse der Gerechtigkeit) unter der Führung der sozialdemokratischen SDP mit 25,4 Prozent der Stimmen (42 Mandate).
Platz drei belegte Domovinski Pokret mit 9,6 Prozent der Stimmen. Die EU-skeptische und antiserbische Partei, der mehrere ehemalige HDZ-Politiker angehören, bekommt damit 14 Mandate - um 2 weniger als bei der vergangenen Wahl im Jahr 2020, bei der sie erstmals ins Parlament eingezogen war. Die grün-liberale Partei Mozemo (Wir können) kam auf 9,1 Prozent (10 Mandate) und das konservativ-rechtspopulistische Bündnis unter Führung der Partei Most (Brücke) auf 8,0 Prozent (11 Mandate).
Auch Domovinski Pokret hatte Gesprächsbereitschaft mit HDZ signalisiert. Manche Politologen in Zagreb meinten am Donnerstag, Plenkovic bleibe nichts anderes übrig, als mit den Rechtsnationalen zu regieren. Andere Experten gaben zu bedenken, dass diese Partei nur ohne Plenkovic zu einer Koalition mit HDZ bereit sei. Stattdessen werde sie versuchen, den HDZ-Politiker Ivan Anusic als Premier durchzusetzen, hieß es. Anusic vertritt in der Mitte-Rechts-Partei HDZ den rechten Flügel.
Als mögliches Szenario kursierte in Zagreb auch die Aussicht, dass Präsident Milanovic versuchen könnte, eine Koalition aus Domovinski Pokret und der sozialdemokratischen SDP zu zimmern. Milanovic kommt aus der SDP, ist aber zuletzt mit rechten und prorussischen Positionen aufgefallen. Als denkbar galt auch, dass Plenkovic zusammen mit Vertretern ethnischer Minderheiten und Überläufern aus anderen Parteien eine Mehrheit erreichen könnte. Zuletzt regierte der Ministerpräsident mit Unterstützung der Minderheiten-Parteien und liberaler Kleinparteien.
Milanovic entscheidet als Staatschef darüber, wer den Regierungsauftrag bekommt. Er deutete am Donnerstag an, dass er nicht Plenkovic dafür nominieren werde. Maßgeblich sei für ihn, dass «Parteien, die (...) nicht wollen, dass Kroatien in Korruption (...) gefangen bleibt» zwei Drittel der Wählerstimmen bekommen hätten, sagte er. Im Wahlkampf hatte Milanovic vor allem mit Korruptionsvorwürfen gegen die HDZ geworben.
Schon vor der Wahl hatte Milanovic angekündigt, selbst Ministerpräsident werden zu wollen, obwohl das Verfassungsgericht des Landes dies für unvereinbar mit seiner Position als Staatschef erklärt hatte. Als inoffizieller Spitzenkandidat und erbitterter Gegner von Plenkovic hatte Milanovic den Wahlkampf angefeuert. Dies sei ein Grund für die sehr hohe Wahlbeteiligung gewesen, meinten Experten. Mehr als 60 Prozent der Wahlberechtigten gingen zu den Urnen. Diese Größenordnung hatte es zuletzt in Kroatien im Jahr 2000 gegeben.