Griechische Dörfer versinken in den Fluten

​«Holt uns hier raus!» 

Α überschwemmter Bauernhof im Dorf Palamas in der Nähe der Stadt Karditsa in Thessalien. Foto: epa/Apostolis Domalis
Α überschwemmter Bauernhof im Dorf Palamas in der Nähe der Stadt Karditsa in Thessalien. Foto: epa/Apostolis Domalis

VOLOS/ATHEN: Menschen, Tiere, Autos, ganze Häuser werden von den Wassermassen mitgerissen, Dörfer sind von der Außenwelt abgeschnitten, das Militär kommt zur Hilfe: In Mittelgriechenland hat der Regen zur Katastrophe geführt. Wie geht es jetzt weiter?

Wie kleine Pyramiden ragen die Ziegeldächer des Dorfes Palamas aus dem Wasser - von der kleinen Ortschaft ist sonst nichts mehr zu sehen. Andernorts sind Häuser kurz vor dem Zusammenbruch oder wurden bereits von den Fluten mitgerissen, ebenso wie Straßen und Brücken. Die Lage in Mittelgriechenland, wo am Donnerstag den vierten Tag in Folge das Sturmtief «Daniel» wütet, hat sich noch mal verschärft. Zwar soll der Regen bis zum Abend endlich aufhören, doch die Schäden sind schon jetzt enorm. Wie viele Vermisste es gibt, blieb weiterhin unklar; ein viertes Todesopfer wurde geborgen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Welche Teile Griechenlands sind betroffen?

Das Unwetter hatte sich am Montag über der Region Thessalien in Mittelgriechenland festgesetzt - unter anderem sind die Städte Volos und Larisa betroffen. Weil Sturmtief «Daniel» sich kaum vom Fleck bewegte, sorgte es dort für die schweren Überschwemmungen und großen Schäden. Der Rest des Landes, also der Großteil Griechenlands ist von den schweren Unwettern gar nicht oder kaum betroffen. Allerdings wird das Festland durch die Fluten gewissermaßen in zwei geteilt: Bereits seit Dienstag ist die wichtigste Autobahn des Landes zwischen Athen und Thessaloniki entlang der überfluteten Gebiete gesperrt. Auch die Zugverbindung zwischen den beiden Metropolen wurde eingestellt.

Wie ist die Situation vor Ort?

«Thessaliens Flachland ist ein riesiger See», sagte Feuerwehrsprecher Giannis Artopoios. Vielerorts stehe das Wasser höher als zwei Meter. In der Region, die als «Kornkammer» Griechenlands gilt, leben rund 700.000 Menschen - so gut wie alle seien von der Flut betroffen. «Wir hatten binnen 36 Stunden rund 5000 Notrufe, so etwas gab es noch nie», sagte Artopoios. Aus mehreren Dörfern kamen Hilferufe über soziale Medien: «Holt uns hier raus!», hieß es. Die Menschen mussten sich auf die Dächer ihrer Häuser retten.

Auch die Hafenstadt Volos mit ihren rund 150.000 Einwohnern war fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Der Fährverkehr wurde eingestellt, viele Zufahrtsstraßen sind überflutet oder vom Wasser zerstört. Es gibt keinen Strom und damit auch keine Wasserversorgung, in den Supermärkten geht das Trinkwasser zur Neige. «Es sind Tonnen von Matsch in die Straßen gespült worden», berichtete der Bürgermeister der Stadt, Achilleas Mpeos, auf Facebook.

Werden Menschen vermisst?

Bislang ist völlig unklar, wie viele Menschen vermisst werden. Befürchtungen steigen, dass es zusätzlich zu den bislang offiziell gemeldeten vier Toten noch weitere Opfer geben könnte. Weil viele Dörfer schon seit Tagen von der Außenwelt abgeschnitten sind, es keinen Strom gibt und die Menschen keine Handy-Akkus mehr haben, gibt es bislang auch kaum Vermisstenmeldungen. Es muss abgewartet werden, bis die Rettungskräfte zu den Orten vordringen können.

Was ist mit Hilfe aus der Luft?

Bislang konnten wegen der Unwetter und Sturmböen keine Hubschrauber eingesetzt werden. Seit Donnerstag sind sie aber unterwegs. Videos der Feuerwehr zeigen, wie schwierig die Bedingungen weiterhin sind: Menschen werden bei Sturm von Hausdächern gerettet.

Was macht der Staat außerdem?

Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat den Einsatz von Militär angeordnet. Geholfen werden soll unter anderem mit schwerem Gerät wie gepanzerten Fahrzeugen, die zu den isolierten Dörfern vordringen können. Zudem sollen Militäringenieure behelfsweise Brücken dort installieren, wo Brücken eingestürzt sind. Jenen, die ihr Hab und Gut in den Fluten verloren haben, werde so schnell wie möglich finanziell unter die Arme gegriffen, versprach Mitsotakis.

Sind auch Touristen betroffen?

Die Region Thessalien ist im Verhältnis zu anderen griechischen Urlaubszielen wie Kreta, Chalkidiki, den Kykladeninseln oder der Halbinsel Peloponnes nicht sehr touristisch geprägt. Dennoch gab es ausländische Besucher, die Einschränkungen hinnehmen mussten. Auf den Sporadeninseln Skiathos, Skopelos und Alonnisos fiel zwischenzeitlich der Strom aus und es regnete stark. Der Flughafen von Skiathos blieb vorübergehend geschlossen, ist seit Donnerstag jedoch wieder geöffnet. Der Hafen von Volos kann von den Inseln aus vorerst weiterhin nicht angefahren werden, aber es gibt Ausweichhäfen. Im Rest des Landes urlauben die Menschen normal.

Das bestätigte auch der auf Griechenland spezialisierte deutsche Veranstalter Attika Reisen: «Es ist eine absolute Naturkatastrophe, aber die großen, touristischen Ziele sind wenig betroffen, da gibt es keine Einschränkungen», sagte Renate Hörterer, die in Athen die Reiseleiter des Unternehmens betreut, der dpa. «Die Griechen sind geübt darin, schnell wieder aufzustehen - das hat man auch auf Rhodos nach den Waldbränden gesehen.»

Was sagen die Meteorologen?

Bis Freitagmorgen sollen sich die letzten Regenwolken aus der Region verzogen haben, dann herrscht wieder der für die Jahreszeit übliche Sonnenschein.

Hat das Extremwetter auch mit dem Klimawandel zu tun?

Viele Meteorologen und andere Fachleute in Griechenland vertreten diese Ansicht, die auch bei der amtierenden Regierung vorherrscht. Es gebe keine Zeit zu verlieren, um die Klimakrise anzugehen, sagte erst am Mittwoch Staatspräsidentin Ekaterini Sakellaropoulou mit Blick auf die zahlreichen und zum Teil sehr großen Wald- und Buschbrände diesen Sommer und die aktuellen Überschwemmungen. Athen hat dafür das Bürgerschutzministerium auserkoren, das bereits seit den schweren Bränden 2021 für das Thema «Klimakrise» zuständig ist.

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