Theaterstück oder faire Wahlen?

Guatemala wählt Staatschef 

Der Präsidentschaftskandidat von Guatemala verspricht digitale
Der Präsidentschaftskandidat von Guatemala verspricht digitale "Tablets" zur Verbesserung der Bildung. Foto: epa/Esteban Biba

GUATEMALA-STADT: Mehrere Kandidaten sind aus fragwürdigen Gründen von der Abstimmung im bevölkerungsreichsten Land Mittelamerikas ausgeschlossen worden. Oppositionelle sprechen von einem «Pakt der Korrupten»: Egal wer gewinnt, letztlich ziehen andere die Strippen.

Wählen, damit alles beim Alten bleibt: Das ist laut Kritikern das Stück, das an diesem Sonntag in Guatemala bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen aufgeführt wird. Wer auch immer gewinnt, der Ausgang der Wahlen in dem mittelamerikanischen Land dürfte demnach längst vorbestimmt sein. Internationale Organisationen beklagen eine Erosion der Demokratie und einen immer autoritäreren Kurs im Land.

«Die Puppe wird eine andere sein, aber die Puppenspieler bleiben dieselben», sagt der Menschenrechtler Jordán Rodas. Wie auch andere unbequeme Kandidaten wurde er als Vizepräsidentschaftskandidat zusammen mit der indigenen Präsidentschaftskandidatin Thelma Cabrera von der Wahlbehörde aus umstrittenen Gründen von der Wahl ausgeschlossen.

Das bevölkerungsreichste Land in Mittelamerika mit 17 Millionen Einwohnern wählt neben dem neuen Präsidenten auch die 160 Abgeordneten und 340 Bürgermeister neu. Rund 20 Kandidaten bewerben sich um das höchste Amt im Staat. Im ersten Wahlgang erreicht in der Regel kein Anwärter die erforderliche absolute Mehrheit. Die Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen ist für den 20. August angesetzt. 9,4 Millionen Wahlberechtigte sind zur Stimmabgabe aufgerufen.

Oppositionelle und Beobachter ziehen in Zweifel, dass die Wahlen unter fairen Bedingungen stattfinden. Anerkannte frühere Korruptionsermittler im Exil sowie Aktivisten sprechen von einem «Pakt der Korrupten» - einer informellen Allianz zwischen politischen, wirtschaftlichen, juristischen und kriminellen Akteuren zum Schutz der eigenen Interessen. Egal wer gewinnt, der Status quo soll erhalten bleiben.

Die Spitzenkandidaten versprechen jedoch bessere Zeiten für das Land. Zu den führenden Bewerbern, von denen allerdings in Umfragen keiner über 25 Prozent der Stimmen kommt, gehört die frühere First Lady Sandra Torres (67) von der sozialdemokratischen Partei UNE. Die Ex-Frau des früheren Präsidenten Álvaro Colom, der von 2008 bis 2012 regierte, scheiterte bei den vergangenen beiden Wahlen jeweils in der Stichwahl.

Weitere aussichtsreiche Kandidaten sind der ehemalige UN-Diplomat Edmond Mulet (72) von der Mitte-Rechts-Partei Cabal und die frühere Abgeordnete Zury Ríos (55), Tochter des früheren Diktators Efraín Ríos Montt (1926-2018), von der rechten Koalition Valor-Unionista. Der unbeliebte konservative Präsident Alejandro Giammattei darf laut Verfassung nach seiner vierjährigen Amtszeit nicht noch einmal antreten. Für die Regierungspartei Vamos («Gehen wir») kandidiert Manuel Conde, dem die wenigen verfügbaren Umfragen nur geringe Siegchancen einräumen.

Korruption, Armut, soziale Ungleichheit und Drogenhandel zählen zu den größten Herausforderungen in Guatemala. Jährlich verlassen mehr als 200.000 guatemaltekische Migranten ihr Land, darunter viele unbegleitete Kinder, in der Hoffnung auf ein besseres Leben in den USA. Über 40 Prozent der Bevölkerung gehören indigenen Völkern an.

Der amtierende Präsident Giammattei wird zwar nicht auf dem Wahlzettel stehen. Ihm werden jedoch unzulässige Einmischung in den Wahlprozess, die Demontage der unabhängigen Justiz und Verfolgung von Richtern, Staatsanwälten und Journalisten, die Korruptionsfälle aufgedeckt haben, vorgeworfen.

Viele der Ermittler hatten mit der von den Vereinten Nationen unterstützten Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (Cicig) zusammengearbeitet, deren Mandat die damalige Regierung 2019 nach zwölf Jahren auslaufen ließ. Die US-Regierung hat die Generalstaatsanwältin Consuelo Porras wegen der Untergrabung von Korruptionsermittlungen mit Sanktionen belegt.

«Giammattei will absolute Garantien, dass er nicht strafrechtlich verfolgt oder an die USA ausgeliefert wird», sagt der Politikanalyst und ehemalige Außenminister Edgar Gutiérrez der Deutschen Presse-Agentur. Unter anderem die Verwaltung der Pandemiegelder habe die Korruption im Land auf ein noch nie gekanntes Niveau gebracht. «Ohne Rechtsstaatlichkeit kann es keine freien und fairen Wahlen geben», sagte Gutiérrez.

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