«Gen-Babys»: Magazin veröffentlicht Manuskripte des Genforschers

Foto: epa/Alex Hofford
Foto: epa/Alex Hofford

BERLIN (dpa) - Zwei angeblich gentechnisch veränderte Babys aus China hatten 2018 viel Aufsehen erregt. Von ihnen und vom Forscher fehlt jede Spur. Nun machen weitere Hinweise die Behauptungen des Forschers fraglich.

Gut ein Jahr nach der Geburt der ersten angeblich genmanipulierten Babys in China zweifeln Experten den Erfolg des umstrittenen Eingriffs an. Sie hatten Manuskripte des verantwortlichen Forschers He Jiankui durchgesehen, die das Magazin «MIT Technology Review» am Dienstag (Ortszeit) in Teilen veröffentlicht hatte. Diese belegten, dass He Jiankui mit seinem Vorgehen zahlreiche ethische und wissenschaftliche Normen verletzt habe. Die Manipulationen, die die beiden Babys vor einer Ansteckung mit HIV schützen sollten, seien zudem vermutlich nicht in beabsichtigter Weise erfolgreich gewesen.

He Jiankui hatte im November 2018 die Geburt der Zwillingsmädchen «Lulu» und «Nana» auf der Video-Plattform «Youtube» bekanntgegeben. Der Forscher gab an, ihr Erbgut mit Hilfe der Genschere Crispr/Cas9 so manipuliert zu haben, dass sie vor einer Ansteckung mit HIV geschützt sind. Sein Vorgehen rief in der Fachwelt und der Öffentlichkeit große Empörung hervor. He verschwand kurz darauf aus der Öffentlichkeit, es ist heute unklar, wo er sich befindet. Ebenso unklar ist, wie es den beiden Mädchen geht.

Die Manuskripte, die das «MIT Technology Review» per Email erhalten hatte, beschreiben das wissenschaftliche Vorgehen bei der Genmanipulation. Sie seien vermutlich von He zur Begutachtung bei wissenschaftlichen Fachjournalen eingereicht worden, wie das Magazin schreibt. Darin sei von einem «medizinischen Durchbruch» die Rede, der eine «Kontrolle der HIV-Epidemie» ermöglichen könne. Auch das Wort «Erfolg» tauche häufig im Zusammenhang mit der «neuartigen Therapie» auf. Belege dafür fehlten allerdings weitgehend, schreibt das Magazin. Es teilte nicht mit, woher es die Manuskripte hat.

Vier Experten, die die Manuskripte durchgesehen hatten, kommen zu dem Schluss, dass He Jiankui eine natürliche vor HIV schützende genetische Mutation in den Embryonen nicht wie behauptet nachgemacht hatte. Diese Behauptung sei eine «unverhohlene Falschdarstellung der tatsächlichen Daten und kann nur mit einem Begriff beschrieben werden: absichtliche Lüge», urteilt Fyodor Urnov, Genwissenschaftler an der University of California, Berkeley. Nach Ansicht der Experten ist zudem nicht ausgeschlossen, dass die Manipulationen unbeabsichtigte Folgen in den Zellen gehabt haben, so genannte Off-Target-Effekte.

Ethisch problematisch sei auch, dass die Eltern womöglich aus falschen Gründen den Versuchen zugestimmt haben, so die Experten. Der Vater sei HIV-infiziert. In China sei dem Paar deshalb die ärztliche Behandlung von Unfruchtbarkeit verwehrt. Es sei denkbar, dass das Paar den Genmanipulationen nur zugestimmt habe, um eine solche Behandlung zu erhalten. Ein Schutz vor einer Ansteckung des Nachwuchses mit HIV über den Vater sei auch auf anderem Wege zu erreichen.

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