«G7» - Was bleibt von den Ergebnissen?

Rentierflechte, Süßgras-Sträuße, Elch-Socken

Bundeskanzlerin Angela Merkel (r) Und Frances Präsident Emmanuel Macron (l). Foto: epa/Neil Hall
Bundeskanzlerin Angela Merkel (r) Und Frances Präsident Emmanuel Macron (l). Foto: epa/Neil Hall

LA MALBAIE (dpa) - Indem US-Präsident Donald Trump seine Zustimmung zur Abschlusserklärung nach dem G7-Gipfel wieder zurückgezogen hat, steht ein großes Fragezeichen hinter den Ergebnissen.

US-Präsident Donald Trump, Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Ratspräsident erklärten am Sonntag immerhin, dass sie weiter dazu stehen. Allerdings war die Ausbeute der Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industrienationen bei ihrem zweitägigen Treffen im kanadischen La Malbaie nahe Québec ohnehin schon eher mager. Es sind eben nur noch «G7 minus 1»:

HANDEL: Der Handelskonflikt der Europäer, Japaner und Kanadier mit den USA ließ den Gipfel am Ende entgleisen. Die Gegensätze waren zuvor schon riesig. Trotzdem gab es eine Einigung auf eine vage gemeinsame Erklärung und einen Aufruf zum Kampf gegen Protektionismus. Als Kompromiss lehnte sich die Erklärung an frühere Formulierungen an. Damit wurde offensichtlich auch die Forderung von Kanzlerin Angela Merkel erfüllt, nicht hinter bisherige Positionen zurückzufallen. Die G7-Staaten plädierten erneut dafür, die Welthandelsorganisation (WTO) zu modernisieren, um sie gerechter zu machen. Aber auch davon will Trump jetzt nichts mehr wissen.

NORDKOREA: Der Atomkonflikt auf der koreanischen Halbinsel war das einzige Topthema, bei dem sich die G7-Partner einigen konnten. Sie forderten Nordkorea auf, «vollständig, überprüfbar und unumkehrbar» seine Massenvernichtungswaffen und Raketen sowie diesbezügliche Programme zu beseitigen. Der «starke Druck» soll aufrechterhalten werden, bis Machthaber Kim Jong Un einlenkt. Der US-Präsident reiste vorzeitig von Kanada nach Singapur, wo er am Dienstag mit Kim zu einem historischen Gipfel zusammentreffen wird.

RUSSLAND: Über den völlig überraschenden Vorstoß von Trump, Russland wieder in die Gruppe der großen Industrienationen aufzunehmen, gab es keine Verständigung. Einzig der Neuling in der Runde, Italiens neuer Regierungschef Giuseppe Conti, unterstützte Trump grundsätzlich. Die anderen G7-Partner erwarten erst Fortschritte im Friedensprozess für die Ukraine. Russland war 2014 nach der Annexion der Halbinsel Krim ausgestoßen worden.

ABWEHR VON MANIPULATIONEN UND PROPAGANDA: Die G7-Staaten gehen gemeinsam gegen Destabilisierungsversuche aus Ländern wie Russland vor - das steht in einer gesonderten Erklärung. Ein neuer Mechanismus zur schnellen Reaktion (Rapid Response Mechanism - RRM) soll eine koordinierte und schnelle Reaktion auf Wahlmanipulationen, Propagandaattacken und andere «inakzeptable Handlungen» ermöglichen. Über das Abwehrsystem sollen Informationen über solche Angriffe analysiert und ausgetauscht werden. Im nächsten Schritt würde dann im Idealfall eine koordinierte Reaktion erfolgen, die von Gegenkampagnen bis zu Sanktionen reichen könnte.

IRAN: Die G7 wollen den Iran von der Entwicklung von Atomwaffen abhalten. Allerdings findet der Streit über den richtigen Weg dorthin im Abschlussdokument keine Erwähnung. Die USA sind aus dem Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe ausgestiegen und wollen Teheran wieder mit Sanktionen unter Druck setzen. Dagegen wollen die europäischen Vertragsparteien Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Vereinbarung zusammen mit Russland und China unbedingt retten.

FRAUEN: Bei der Gleichberechtigung, einem der Schwerpunktthemen des kanadischen Gastgebers Justin Trudeau, gab es Fortschritte. Die G7-Partner wollen bis 2020 drei Milliarden US-Dollar (umgerechnet 2,5 Milliarden Euro) mobilisieren, um Frauen in Entwicklungsländern zu unterstützen. Die Länder stellen eine Milliarde US-Dollar bereit, um weitere zwei Milliarden aus dem Privatsektor zusammenzubringen. Die Initiative soll den Zugang von Frauen zu guten Jobs, Finanzen, Märkten, Führungsmöglichkeiten und Dienstleistungen verbessern. Auch soll das Unternehmertum von Frauen gefördert werden.

BILDUNG: Die G7-Staaten werden den Zugang von armen Mädchen zu Bildung in Krisenregionen über drei Jahre mit 2,5 Milliarden Euro fördern. Davon sollen mehr als acht Millionen Kinder profitieren. Die Zusagen übersteigen deutlich die Forderungen von Gastgeber Kanada und Hilfsorganisationen, die 1,1 Milliarden Euro gefordert hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Mädchen wegen der unsicheren Sicherheitslage die Schule verlassen müssen, ist 2,5 mal größer als bei Jungen.

PLASTIK: Im Kampf gegen Plastikmüll in den Ozeanen machten die USA neben Japan auch schon nicht mit. Nur Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und die EU verpflichteten sich, bis 2030 eine vollständige Wiederverwertbarkeit von Plastik sicherzustellen. Auch das Ziel, bis 2030 mindestens 55 Prozent ihrer Kunststoffabfälle zu recyceln, trugen die USA und Japan nicht mit. Von den G7-Staaten gilt Amerika als größter Verursacher von Plastikverschmutzung in den Ozeanen. Global gesehen sind es China, Indonesien und die Philippinen. In Europa wird heute nur knapp 30 Prozent des Plastikmülls zur Wiederverwertung gesammelt.

KLIMA: Auch im Klimaschutz wurden nur die Differenzen mit den USA in die Gipfelerklärung geschrieben. Deutschland, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und die EU-Spitze bekannten sich darin zum Pariser Klimaschutzabkommen, während die USA ihren Sonderweg festschrieben. Trump war vor einem Jahr aus dem Klimavertrag ausgestiegen, der die Erderwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter halten will, möglichst sogar bei 1,5 Grad. Er soll sich anfangs sogar dagegen gewehrt haben, das Abkommen überhaupt namentlich in dem Dokument zu erwähnen, hieß es.

Splitter vom G7-Gipfel

Ganz besondere Gastgeschenke, Mahlzeiten mit Rentierflechte und Ahornlaub, Gipfel-Bier und bleibende Spuren bei Donald Trump: Beim G7-Gipfel führender Wirtschaftsnationen in Kanada gab es abseits des Tagungsprogramms allerhand kuriose Momente. Der Knaller aber kam erst, als der Gipfel schon vorbei war.

- Rund vier Stunden nach Ende des Gipfels sorgt US-Präsident Trump für den kuriosesten, überraschendsten und nachdrücklichsten Moment. Per Twitter-Nachricht sagt er die Zustimmung der USA zur gemeinsamen Abschlusserklärung wieder ab.

- Zuvor war alles deutlich friedlicher verlaufen: Sträuße aus Süßgras bekamen alle G7-Teilnehmer bei der Ankunft am Flughafen, überreicht von Vertretern kanadischer Ureinwohner. Die am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms gepflückten Pflanzen sollten die Staats- und Regierungschefs im ursprünglich von den Ureinwohnern besiedelten Gebiet willkommen heißen. US-Präsident Trump bedankte sich allerdings nur kurz und drückte das Geschenk rasch einem Mitarbeiter in die Hand.

- Über ein anderes Präsent freute sich Donald Trump dem Anschein nach deutlich mehr: Kanadas Premierminister Justin Trudeau überreichte ihm ein altes, gerahmtes Foto. Darauf ist ein Hotel in Kanada zu sehen, das einst Trumps Großvater gehörte. Das Hotel stand Medienberichten zufolge zu Zeiten des Goldrausches in Westkanada - und lieferte den Grundstock für das heutige Immobilien-Imperium der Trumps.

- Trudeau zog mal wieder alle Aufmerksamkeit auf seine Knöchel: In gewohnter «Socken-Diplomatie-Strategie» zeigte sich der Gastgeber diesmal in Strümpfen mit Elch-Muster. Elche gelten als Symboltier Kanadas.

- Kanadisch dominiert waren auch die Speisekarten der gemeinsamen Mahlzeiten: Brioche mit Ahornlaub, Rinderfilet mit Rentierflechte, Saibling und Hummer, dazu Weine aus den Provinzen Ontario, British Columbia und Nova Scotia. Eine Brauerei in der Region stellte eigens ein spezielles «G7-Bier» her - gebraut mit Zutaten aus allen G7-Mitgliedsländern und einem Alkoholgehalt von genau sieben Prozent.

- Für die mitgereisten Partner gab es beim Gipfel ein eigenes Programm, unter anderem mit Mittag- und Abendessen im kleinen Kreis, dazu einen «runden Tisch zur Gleichberechtigung». Die Teilnehmerliste war aber eher kurz: Kanadas «First Lady» Sophie Trudeau begrüßte Brigitte Macron, Malgorzata Tusk, Akie Abe und Philip May.

- Gemeinsam besuchten Teilnehmer und Partner am Freitagabend eine «kulturelle Veranstaltung»: Ein Treffen am Lagerfeuer mit Livemusik und einem Auftritt der aus Québec stammenden Akrobatiktruppe «Cirque du Soleil».

- Im Handelsstreit griff Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron gegenüber seinem US-Kollegen Trump zu einem ungewöhnlichen Argument. Handelsdefizite müssten nicht unbedingt etwas mit Zöllen zu tun haben, erklärte Macron Trump. Als Beispiel führte er auf, dass auch in der EU deutliche Ungleichgewichte im Handel existieren. Dies liege zum Beispiel daran, dass Franzosen deutsche Autos liebten.

- Macron hinterließ auch noch einen weiteren bleibenden Eindruck bei Trump: Nach einem Händedruck bei einem bilateralen Treffen war auf Trumps Hand deutlich ein weißer Abdruck von Macron zu erkennen, so fest musste der zugedrückt haben.

- Auch auf Twitter präsentierte Trump ein Souvenir des Gipfels, unbeschadet allen Streits: Das Familienfoto der sieben Staats- und Regierungschefs und der beiden EU-Vertreter prangte als neues Header-Bild auf seinem Twitter-Profil. Am Sonntag wurde es wieder ausgewechselt.

- Für das symbolträchtigste Bild des Gipfels dürfte wohl das Bundespresseamt gesorgt haben: Das Foto von Fotograf Jesco Denzel zeigt US-Präsident Trump auf der einen Seite - sitzend, mit verschränkten Armen und, je nach Lesart, bockigem Gesichtsausdruck oder Pokerface. Vertreter der anderen G7-Staaten stehen auf der anderen Seite, in der Mitte Bundeskanzlerin Merkel, die Trump mit entschlossenem, aber auch leicht frustriertem Gesichtsausdruck anschaut. Auch in den sozialen Medien verbreitete sich das Fotos schnell und wurde als «das Bild des Gipfels» gefeiert.

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Walter Bucher 11.06.18 16:24
Der französische Präsident Donald Trump
Da ist wohl etwas schief gelaufen............ Das wäre noch, wenn DER auch noch französischer Präsident wäre!
Ingo Kerp 11.06.18 13:28
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