Die neue Freiheit

Die neue Freiheit

Haze Berry, Special Queen, Critical, Sour Diesel, North­ern Light...

Wissen Sie, wovon die Rede ist?

Es handelt sich um Bezeichnungen verschiedener Cannabis-Sorten, aufgereiht in Dutzenden Gläsern in Hunderten von Läden, die seit etwa einem Jahr überall in Thailand wie Pilze aus dem Boden schießen.

Früher fielen mir an allen Ecken und Enden die 7-Eleven-Filialen auf, heute sind es die Cannabis-Läden. Eine neue Gesetzeslage macht es möglich. Wer vor kurzem noch im Gefängnis landete, wenn er eine Handvoll Gras, Hanf, Kratom oder Marihuana mit sich führte, darf sich jetzt in jedem dieser Geschäfte damit eindecken.

Aber wo sind die Millionen Konsumenten, die nötig sind, damit die unzähligen Läden einen Gewinn generieren können? Beim Schlendern durch die City sehe ich nur menschenleere Räume mit einem vor sich hindösenden Verkäufer. Ich bin sicher, einige dieser Geschäfte werden diese Nebensaison nicht überleben, obwohl täglich neue eröffnet werden. Es müssen sehr viele Investoren sein, die in der Hoffnung auf einen lukrativen Profit teure Kredite aufgenommen haben. Oder stecken hinter diesen Massengründungen vielleicht nur ganz wenige Oligarchen, die den Markt unter sich aufgeteilt und Strohmänner als Geschäftsführer eingesetzt haben? Allerdings nicht risikolos. Noch stehen die entsprechenden Gesetze auf wackeligen Füßen. Einige einflussreiche Politiker wollen den Genuss von Rauschmitteln weiterhin unter Strafe stellen. Ständig lese ich von hitzigen Beratungen im Kabinett und Parlament, um beispielsweise sicherzustellen, dass Minderjährige durch den Konsum von Gras nicht gesundheitlich geschädigt werden. Ähnliches kennen wir durch die gesetzliche Regelung, dass im ganzen Land nach Schulschluss zwischen 14 und 17 Uhr kein Alkohol verkauft werden darf, was sich natürlich auf verschiedenen Wegen umgehen lässt. Fast komisch oder hilflos mutet die Aussage der Regierungssprecherin Ratchada Thanadirek an, dass der vorgeschlagene Entwurf des Ministeriums für soziale Entwicklung besagt: „Kinder, die riskantes Verhalten zeigen, sollen der Verantwortung der Erziehungsberechtigten überstellt werden.“ Wie bitte? Wer denn sonst ist für die Erziehung und das Wohlergehen der Kinder zuständig?

Was nötig wäre ist Aufklärung. In der Bevölkerung schwirren die unterschiedlichs­ten Meinungen über die Wirkung von Cannabis herum. Die Einschätzungen reichen von absolut harmlos bis zu einer gesundheitsschädigen Einstiegsdroge. Andere sind davon überzeugt, dass durch die Legalisierung der Schwarzhandel unterbunden wird. Wie denn? Es wird einfach mehr angebaut. In jedem Dorf gibt es Hanfanpflanzungen. Sogar vor der Tür meines Friseurs hier in Pattaya wachsen Cannabispflanzen in Töpfen heran.

Aber immer noch ist offen, wie die Gesetzeslage am Ende aussehen wird. Nicht ganz ausgeschlossen ist, dass all diese Läden schneller wieder geschlossen werden als sie geöffnet wurden, wenn Gegner und Befürworter sich nicht einigen können.

Dann müssen die internationalen Touristen zum Kiffen wieder nach Amsterdam reisen. Dann bleibt das Land der Freien vielleicht doch verschont von einer Freiheit, die es vor dem illegalen Handel schützen sollte. Dieses Thema wird das Land noch lange beschäftigen.

Ich persönlich nehme in dieser Auseinandersetzung eine neutrale Haltung ein. Ich habe in meinem ganzen langen Leben noch niemals gekifft, hatte auch nie das Verlangen danach. Etwas anderes wäre, wenn eine Regierung auf die Idee käme, den Genuss von Wein zu verbieten. Dann würde ich auf die Barrikaden gehen.

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