Warum ausgerechnet Thailand?

Warum ausgerechnet Thailand?

In Thailand leben dauerhaft mehr als 1 Million Ausländer. Warum ausgerechnet in Thailand? Warum nicht in Laos, Vietnam, Malaysia oder Kambodscha? Und warum haben sie ihre Heimat verlassen?

Ich habe mit einigen Farangs darüber gesprochen und sehr unterschiedliche Antworten erhalten:

Harry ist in Dänemark betrogen worden. Er hat den Rest seiner Habe verkauft und sich mit seiner Frau auf den Weg nach Südostasien gemacht. Es war der Wunsch nach Ruhe, nach Sonne, nach einem glücklichen Lebensabend. Das erste Ziel war Vietnam, Saigon, Ho-Chi-Minh-Stadt, das nach dem Krieg, nach Überwindung des engstirnig-doktrinären Kommunismus und der Ausrufung der Reformstrategie „Doi Moi“, der wirtschaftlichen Öffnung des Landes, gerade seinen Aufschwung erlebte. Aber auch hier gerieten sie an einen Ausbeuter, einen Landsmann, und sie flüchteten nach Thailand. Hier leben sie heute entspannt und zufrieden in einem kleinen Ort am Golf von Siam.

James wollte seinen über Jahre angesammelten Steuerschulden entkommen, flog nach Kambodscha und fand Aufnahme in Kampot, wo er durch Vermittlung eines deutschen Maklers Manager einer Pfeffer-Plantage wurde. Aber seine Vergangenheit holte ihn hier ein.

Er floh nach Hongkong, wo ihm die Auslieferung drohte. Nach Verjährung seiner Straftat baute er sich in Pattaya ein neues Leben auf. Die deutschen Gäste seines Restaurants fühlen sich jetzt bei ihm zuhause und „futtern wie bei Muttern.“

Uwe war Lehrer an einer Realschule in Augsburg. Als er geoutet wurde, empfahl man ihm behördlicherseits,– aus Krankheitsgründen – sich vorzeitig pensionieren zu lassen. Sein Ziel war Laos. Aber schon nach einen Jahr langweilte er sich dort. Eine Urlaubsreise war der Auslöser für seinen Umzug nach Thailand, wo er heute mit seinem Thai-Freund eine Sprachschule betreibt und keinerlei Nachteile wegen seiner Homosexualität zu befürchten hat.

Ich könnte noch über andere Farangs berichten, auch über einige, die ganz bewusst als Sextouristen in dieses Land reis­ten und hier sesshaft geworden sind. Aber die positiven Beispiele überwiegen doch bei weitem: Viele Farangs zieht es nach Thailand wegen des berechenbaren Wetters, wegen der berühmten Thai-Küche oder wegen der güns­tigen Preise für Mietwohnungen bzw. Häuser. Bei Senioren hat es sich he­rumgesprochen, dass ein Platz in einem Altersheim nur die Hälfte dessen kostet, was man dafür in Europa zahlen muss.

Mit anderen Worten: Dort leben, wo andere Urlaub machen.

Auch ich habe nach Erreichen meines Renteneintritts Deutschland verlassen. Nach mehreren Reisen in die Nachbarländer Thailands stand für mich fest, dass ich hier meinen Lebensabend verbringen wollte. Wie so viele andere Langnasen bin ich dem Zauber dieses Landes erlegen. Hier fand ich nach einem sehr ausgefüllten, stresshaften Berufsleben die ersehnte Ruhe. Ich schrieb Reportagen für deutsche Zeitschriften und Rundfunkanstalten, mehrere Bücher und über viele Jahre hinweg Kolumnen für den FARANG. Dann machte die Krankenversicherung mir leider einen Strich durch die Rechnung.

Meine Freunde in Deutschland haben nie verstanden, warum ich meine Heimat verlassen hatte. Sie befürchteten, ich müsste hier in einer Diaspora leben, um mich herum nur Fremde und ein unverständliches Sprachengewirr. Andere meinten, mich warnen zu müssen vor der allgegenwärtigen Korruption in diesem Land, vor der bitteren Armut in den Slums, vor sexuellen Attacken oder vor Drogen. Nachdem einige von ihnen hier meine Gäste waren, hat ihre Meinung sich völlig verändert. Sie beneiden mich um meine neue, meine zweite Heimat, denn sie haben ja nur die gute Seite dieses Landes kennengelernt, Sonne, Sand, Palmen und Meer, gutes Essen und guten Wein. Wer hier lange genug lebt, kennt natürlich auch einige Schattenseiten. Bei sorgfältiger Abwägung beider Seiten, dem ernsten, freudlosen Schlechtwetter-Deutschland und dem toleranten Land des Lächelns überwiegt die Freude, hier leben zu dürfen. Man darf nur die Nase nicht allzu tief in kaum versteckte, etwas abseitig gelegene Winkel stecken.

Dann kann man hier glücklich werden.

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