Zelte, Schiffe und Container

Keine Studentenzimmer in Niederlanden

Foto: Wikimedia/Www.sportstatistieken.nl
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GRONINGEN (dpa) - Die Niederlande sind bei internationalen Studenten besonders beliebt. An den Universitäten wird fleißig um sie geworben. Jedoch mangelt es an Wohnraum. In Groningen erfahren das auch viele Deutsche.

Tief eingemummelt in seine Jacke sitzt Paul auf der Bank vor dem Hostel in Groningen. Er ist erkältet. «Es ist richtig beschissen», sagt der 23-jährige Student. «Es ist echt kein Zimmer zu finden.» Vor gut vier Wochen hat sein Studium angefangen, und ebenso lange schon wohnt der junge Deutsche in dem Hostel am Rande von Groningen, im Nordosten der Niederlande. Zwangsläufig. Er schläft in einem umgebauten Container mit fünf Etagenbetten und Platz für zehn Personen. Im schmalen Spind ist seine Kleidung. Einen Schreibtisch gibt es nicht. Kostenpunkt: 100 Euro pro Woche, mit Frühstück.

Das Hostel «Rebel, Rebel» ist mit den umgebauten Containern, vielen Grünpflanzen und einem kleinen Café eine charmante Idylle auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik. Rund um das Industriedenkmal haben sich hippe, junge Unternehmen und Kulturinitiativen angesiedelt. Am Wochenende finden hier Konzerte und Festivals statt.

«Es ist super hier», sagt Camillo. «Wenn du Ferien hast.» Der 24-Jährige will seinen Master in Wirtschaft in Groningen machen. Auch er wohnt im Hostel, bis seine Wohnung bezugsfertig ist. «Dahinten.» Camillo weist auf eine Baustelle am Ende des Geländes.

Wegen der großen Wohnungsnot der Studenten baut die Stadt gerade 250 Notunterkünfte. Doch die waren zu Beginn des Studienjahres am 1. September noch längst nicht fertig. Die zu großen Blöcken gestapelten Container stehen noch immer mitten in einer Schlammwüste. Gleich dahinter ist die Autobahn. «Dafür zahlt man 500 Euro Miete im Monat», stöhnt Camillo. «Und zehn Euro extra fürs Internet.»

Die Wohnungsnot der Studenten in den Niederlanden ist groß. «Besonders prekär ist es in Groningen und für die internationalen Studenten», sagt Jolien Bruinewoud, Vorsitzende des Studentenverbandes. «Die Stadt ist total überlastet.»

55 0000 Studenten gibt es in Groningen, gut die Hälfte von ihnen wohnt in der Stadt. Davon kommen 9000 aus dem Ausland - vorwiegend aus Deutschland. Die Universität schätzt, dass mehrere Hundert noch ein Zimmer suchen.

Groningen ist ein Opfer des eigenen Erfolgs, klagt Bruinewoud. «Die Uni setzt stark auf Internationalisierung und wirbt im Ausland.» Die Expansion ist auch eine Folge des Finanzierungssystems in den Niederlanden. Je mehr Studenten eine Hochschule hat, umso mehr staatliche Mittel bekommt sie. Fast alle Universitäten des Landes setzen deswegen auch auf internationale Studenten. Die Reichsuniversität Groningen etwa bekam in diesem Jahr 2000 Anmeldungen mehr als erwartet.

Der Studentenverband wirft der Universität vor, zu wenig in die Qualität zu investieren und die Situation der Studenten zu vernachlässigen. «Die Unis sind überhaupt nicht vorbereitet auf den großen Ansturm», sagt Bruinewoud.

In Groningen etwa wurde in diesem Jahr der Numerus Clausus für Psychologie aufgegeben. Die Folge: Ein Boom aus Deutschland. Fast die Hälfte der Anfänger sind Deutsche. Doch sie können, anders als ihre niederländischen Kommilitonen, nicht zur Not weiter bei ihren Eltern wohnen. «Es muss einfach mehr gebaut werden», fordert die Vorsitzende des Studentenverbandes.

Auf dem ohnehin sehr angespannten Wohnungsmarkt in den Niederlanden sind die Mieten für Studenten in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Nach einer Studie des landesweiten Studentenverbandes bezahlen Studenten monatlich im Schnitt 100 Euro zu viel an Miete. Ein Studentenzimmer in Amsterdam kostet im Schnitt 462 Euro und in Groningen 336 Euro. Kein Wunder, dass niederländische Studenten immer länger zu Hause wohnen bleiben - nur 25 Prozent von ihnen ziehen zum Studienbeginn aus.

Zur Miete kommen noch 200 Euro Studiengebühren im Monat, Internet, Bücher, Versicherungen, Verpflegung. Viele Niederländer haben am Ende ihres Studium Tausende Euro Schulden.

In Groningen hat die Stadt nun Notunterkünfte eingerichtet: Feldbetten in Zelten. Kojen auf einem Hotelschiff - mit 1.300 Euro pro Monat auch nicht gerade ein Schnäppchen. Nun soll das Containerdorf bei der alten Zuckerfabrik die schlimmste Not lindern.

Der 21-jährige Hendrik Meyer aus Hamburg hatte Glück. Er hat ein Zimmer für 350 Euro gefunden. «Du musst sehr früh mit der Suche anfangen», sagt er. Er selbst hat schon im März begonnen. Im Juni fand er das Zimmer und hat es gleich gemietet, lange bevor das Psychologie-Studium begann.

Viele andere aber haben nicht so viel Glück. Manche schlafen noch auf Campingplätzen, andere auf dem Sofa bei Bekannten oder im Hostel. «Das ist unhaltbar», sagt Jolien Bruinewoud vom Studentenbund. «Manche ausländische Studenten geben auf und fahren wieder nach Hause.»

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