Tote und Verletzte in Israel und im Gazastreifen bei neuer Gewalt

Foto: Mohammed Talatene/Dpa
Foto: Mohammed Talatene/Dpa

TEL AVIV/GAZA (dpa) - Nur gut eine Woche vor dem Eurovision Song Contest beginnt eine neue Runde der Gewalt in Nahost. Militante Palästinenser feuern Hunderte Raketen auf Israel, die Luftwaffe bombardiert Ziele in dem Küstengebiet.

Der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern aus dem Gazastreifen ist erneut gefährlich eskaliert. In der Küstenstadt Aschkelon wurde nach Polizeiangaben in der Nacht zum Sonntag ein Israeli getötet, als eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete sein Wohnhaus traf.

Israels Luftwaffe beschoss als Reaktion auf Raketenangriffe aus dem Gazastreifen seit Samstag massiv Ziele in dem Küstenstreifen. In dem Palästinensergebiet wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza seit Samstag mindestens sechs Palästinenser getötet, darunter eine schwangere Frau und ihr einjähriges Kind. 47 weitere Palästinenser seien verletzt worden.

Die israelische Armee bestritt jedoch am Sonntag, für den Tod der Palästinenserin und ihres Kindes verantwortlich zu sein. Der Militärsprecher Jonathan Conricus sagte, die beiden seien von einer fehlgeleiteten Rakete der im Gazastreifen herrschenden Hamas getötet worden. Diese Einschätzung basiere auf «Geheimdienstinformationen aus verschiedenen Quellen», sagte er. «Wir sind 100 Prozent sicher, dass es nicht durch Waffen der israelischen Armee war.»

In Israel wurden nach Angaben des Rettungsdienstes Magen David Adom 83 Menschen verletzt, darunter eine 80-Jährige, die in Kiriat Gat durch Raketensplitter schwere Verletzungen erlitt.

Seit Samstag haben militante Palästinenser nach israelischen Militärangaben rund 450 Raketen und Mörsergranaten auf israelische Ortschaften abgefeuert. Am Sonntag dauerten die Raketenangriffe an.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu versammelte seine Minister am Sonntag zu einer Dringlichkeitssitzung. «Ich habe die Armee heute Morgen angewiesen, die massiven Angriffe auf Terrorziele im Gazastreifen fortzusetzen und die Streitkräfte am Rande des Gazastreifens mit Panzer-, Artillerie- und Infanterietruppen zu verstärken», sagte Netanjahu. Die Hamas trage die Verantwortung für alle Angriffe aus dem Küstenstreifen und zahle bereits einen hohen Preis dafür.

Die Eskalation passiert nur eine Woche vor dem internationalen Gesangswettbewerb Eurovision Song Contest (ESC) in Tel Aviv. Bisher blieb Tel Aviv von der jüngsten Runde der Gewalt verschont. Militante Palästinenserorganisationen drohten jedoch nach Medienberichten mit einer Ausweitung der Angriffe auch auf die Küstenmetropole. Ägypten bemühe sich um eine Waffenruhe.

Ein Sprecher der Europäischen Rundfunkunion (EBU), Veranstalterin des ESC, sagte am Samstag: «Sicherheit steht für die EBU immer an erster Stelle.» Man arbeite mit der israelischen Rundfunkanstalt KAN und der Armee zusammen, «um die Sicherheit all jener zu gewährleisten, die mit uns in der Veranstaltungshalle Expo Tel Aviv zusammenarbeiten und sich uns anschließen». Man verfolge die Lage aufmerksam und die ESC-Proben gingen normal weiter, sagte Sprecher Jon Ola Sand.

Die israelische Luftwaffe griff in der Nacht zum Sonntag erneut Ziele im Gazastreifen an. Am Samstag hatten Kampfjets unter anderem ein Hauptquartier der Hamas sowie Raketenwerkstätten und Waffenlager zerstört. Israelische Medien berichteten, es seien auch gezielt Wohnhäuser ranghoher Mitglieder der Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad beschossen worden. Insgesamt wurden nach Armeeangaben seit Samstag 220 Ziele im Gazastreifen attackiert.

In israelischen Wohngebieten mussten seit Samstag Zehntausende Menschen in Schutzräume flüchten, in den betroffenen Regionen heulten immer wieder die Alarmsirenen. Mehrere Häuser in Ortschaften nahe dem Gazastreifen wurden von Raketen getroffen. Die Schulen in Israels Süden blieben am Sonntag geschlossen.

Die US-Regierung erklärte sich solidarisch mit Israel und sprach dem Verbündeten die «volle Unterstützung» für dessen «Recht auf Selbstverteidigung gegen diese abscheulichen Attacken» aus, wie Außenministeriumssprecherin Morgan Ortagus mitteilte.

Dagegen verurteile die Türkei die Angriffe Israels scharf. Das Außenministerium erklärte am späten Samstagabend: «Wir fordern die internationale Gemeinschaft dazu auf, rasch einzuschreiten, um Spannungen in der Region abzubauen, die mit Israels unverhältnismäßigem Vorgehen gestiegen sind.»

Die Gewalt eskalierte, nachdem es am Freitag an der Gaza-Grenze bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten Tote gegeben hatte. Vier Palästinenser wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza getötet, darunter zwei Hamas-Kämpfer. Palästinenserfraktionen kündigten daraufhin Rache an. Seit März 2018 wurden dem Ministerium zufolge bei Protesten rund 280 Palästinenser getötet und Tausende verletzt. Israel hält seit mehr als zehn Jahren eine Blockade des Küstenstreifens aufrecht, die von Ägypten mitgetragen wird.

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