Tausende demonstrieren erneut gegen Präsident Bolsonaro

Demonstranten nehmen an einem Protest gegen den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro in Rio de Janeiro teil. Foto: epa/Antonio Lacerda
Demonstranten nehmen an einem Protest gegen den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro in Rio de Janeiro teil. Foto: epa/Antonio Lacerda

RIO DE JANEIRO: Nach anfänglicher Zurückhaltung wegen der Corona-Pandemie gehen wieder Zehntausende Brasilianer auf die Straße, um die Amtsenthebung ihres Staatschefs zu fordern. Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen sind die Proteste auch ein Test für die Allianz gegen Bolsonaro.

Zehntausende Menschen haben in mehr als 90 brasilianischen Städten wieder gegen die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro und dessen Corona-Politik protestiert. Demonstranten zwischen dem Amazonas-Bundesstaat Roraima im Norden, wo viele Indigene leben, und dem von deutschen Einwanderern geprägten Rio Grande do Sul forderten am Samstag unter anderem die Amtsenthebung Bolsonaros, mehr Impfstoffe gegen das Coronavirus und Arbeitsplätze in Zeiten der Pandemie.

Verlässliche Angaben zu den Teilnehmerzahlen gab es nicht. In der Metropole São Paulo etwa gingen die Schätzungen der Organisatoren (100.000) und die Angaben der Polizei (8000) weit auseinander. Das Nachrichtenportal «G1» berichtete aber von Kundgebungen in allen der 26 Bundesstaaten und im Hauptstadtdistrikt.

Die Demonstranten trugen Plakate und Banner mit Aufschriften wie «Bolsonaro raus» und «Bolsonaro Völkermörder». Sie bezeichneten den Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Arthur Lira, als «Komplizen». Dieser kann einen der Dutzenden Anträge annehmen und ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro eröffnen, gilt jedoch als dessen Verbündeter.

Der Rechtspopulist Bolsonaro hat das Coronavirus von Anfang an verharmlost und Schutzmaßnahmen sowie Einschränkungen abgelehnt. Auch den Sinn von Impfungen zieht er in Zweifel und hat mehrmals betont, dass er selbst noch nicht gegen Corona geimpft sei. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Corona-Krisenmanagement seiner Regierung läuft.

Soziale Bewegungen und Gewerkschaften hatten zu den Protesten ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen in Brasilien aufgerufen, bei denen der erste Durchgang am 2. Oktober 2022 ansteht. Rund 20 Parteien, unter anderem die linke Arbeiterpartei PT des ehemaligen Präsidenten und potenziellen Bolsonaro-Herausforderers Luiz Inácio Lula da Silva sowie die konservativen PSDB und DEM nahmen laut «G1» an den Demonstrationen teil, sodass Beobachter diese auch als Test für die Allianz gegen Bolsonaro werteten. Die Einheit der Opposition dürfte eine ihrer Herausforderungen mit Blick auf die Wahlen sein. Es kam in den vergangenen Monaten immer wieder zu Massenprotesten gegen Bolsonaro, nachdem sich die Linke wegen der Menschenansammlungen in der Pandemie zunächst uneins gewesen war.

Bolsonaro hatte am 7. September seine Anhänger mobilisiert und demokratische Institutionen eingeschüchtert. Er machte aus dem Tag von Brasiliens Unabhängigkeit einen Kampftag. Die Zustimmung zu seiner Amtsführung ist im Laufe der Corona-Pandemie immer weiter gesunken. 53 Prozent der Befragten lehnten die Politik des Präsidenten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datafolha im September ab. Das war das schlechteste Ergebnis für Bolsonaro seit seinem Amtsantritt 2019.

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