Neuer Präsident für Russland-Nachbar Finnland

Stubb oder Haavisto? 

Präsidentschaftsbewerber Pekka Haavisto (R) steht als
Präsidentschaftsbewerber Pekka Haavisto (R) steht als "DJ Pexi" mit seinem Partner Antonio Flores auf der Bühne des Kulturhauses in Helsinki. Foto: epa/Mauri Ratilainen

HELSINKI: Das Nato-Mitglied Finnland bekommt nach zwölf Jahren ein neues Staatsoberhaupt. Zwei politische Schwergewichte machen das Rennen unter sich aus. Auch im Kreml dürfte man den Wahlabend genau verfolgen.

Eine junge Frau und ein Herr Mitte 70 haben Finnland in den vergangenen Jahren auf der internationalen Bühne vertreten. Sanna Marin, 2019 zur damals jüngsten Regierungschefin der Welt ernannt, und Präsident Sauli Niinistö haben dem nördlichsten Land der EU in einer unruhigen Welt ein Gesicht gegeben und es nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Schulterschluss schnurstracks in die Nato geführt. Trotz Marins Popularität hat an der Regierungsspitze bereits kurz nach dem Nato-Beitritt jemand anderes das Sagen übernommen - und auch an der Staatsspitze wird nun ein neuer Mann die Geschicke in die Hand nehmen.

An diesem Sonntag (11. Februar) nämlich entscheidet sich, wer Finnlands neuer Präsident wird und damit das politische Erbe des überaus beliebten Niinistö antritt. Nach insgesamt zwölf Jahren als Staatsoberhaupt durfte der 75-Jährige, der als einer der Architekten des finnischen Nato-Beitritts gilt und sich als parteiübergreifende, einende Stimme ausgezeichnet hat, nicht noch einmal kandidieren.

Sein Nachfolger wird entweder Alexander Stubb oder Pekka Haavisto heißen: Der konservative frühere Regierungschef und der grüne Ex-Außenminister haben bei einer ersten Wahlrunde vor zwei Wochen die meisten Stimmen aller neun Kandidatinnen und Kandidaten erhalten, eine direkte Mehrheit im ersten Anlauf aber jeweils verpasst. Deshalb kommt es nun zur Stichwahl zwischen ihnen - mit Stubb in der leichten Favoritenrolle.

Vor einigen Jahren noch war die finnische Politik in der Weltöffentlichkeit höchstens eine Randnotiz. Dann kam Marin, und dann folgte auf den russischen Angriff auf die Ukraine der finnische Entschluss, nach jahrzehntelanger militärischer Bündnisfreiheit eine Mitgliedschaft in der Nato zu beantragen. Finnland zeigte klare Kante gegenüber seinem großen, komplizierten Nachbarn im Osten, alle Ost-West-Balance der Vergangenheit war passé. Anfang April 2023 wurde das nordische Land in das Verteidigungsbündnis aufgenommen.

Die Großmächte dankten es den Finnen auf unterschiedliche Weise: Während US-Präsident Joe Biden Niinistö im Sommer 2023 einen Besuch in Helsinki abstattete, ließen die russischen Behörden später zahlreiche Migranten an die finnische Grenze, um das Nachbarland vor Probleme zu stellen. Auch den Wahlabend dürfte man im Kreml genau verfolgen, schließlich geht es um einen Nachbarn, mit dem man sich eine 1340 Kilometer lange Grenze teilt.

Gleichzeitig dürfte klar sein, dass sich am finnisch-russischen Verhältnis so schnell nicht viel ändern wird. «Ich glaube nicht, dass es unter einem der beiden eine große Veränderung geben wird», schätzt der Professor und Experte für politische Ökonomie von der Universität Helsinki, Jari Eloranta, ein. «Stubb wäre ein sehr proeuropäischer Präsident, der vermutlich viel Wert auf die anglo-amerikanische Zusammenarbeit legen würde.» Haavisto sei ebenfalls sehr proeuropäisch, aber etwas kosmopolitischer. «Er würde vielleicht etwas mehr auf Finnlands Rolle im globalen Süden eingehen.» In Sachen Russland jedoch, so ist sich Eloranta sicher, wird keiner der beiden Kandidaten von der bisherigen Linie abrücken und weiterhin eine klare Kante gegenüber Russland zeigen.

Stubb und Haavisto gelten in Finnland als politische Schwergewichte. Stubb war von Mitte 2014 bis Mitte 2015 Ministerpräsident und hatte davor und danach verschiedene Ministerposten inne. Als Kandidat der konservativen Nationalen Sammlungspartei von Regierungschef Petteri Orpo erhielt der 55-Jährige in der ersten Wahlrunde 27,2 Prozent der Stimmen und damit 1,4 Prozentpunkte mehr als Haavisto. Zuletzt war er Professor am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Die akademische Freiheit, zu sagen, was man wolle, würde er im Falle einer Wahl vermissen, sagte er in seinem Podcast «Alex Talk». Es fühle sich sehr befreiend an, Sachen zu sagen, die ein Präsident sicherlich nie sagen könne.

Diese Freiheit könnte er nun für das oberste Amt in seinem Land einbüßen. «Ich denke, Stubb ist definitiv der Favorit», sagt Eloranta. Auch Umfragen sehen den Konservativen einige Prozentpunkte vor Haavisto.

Haavisto hat bereits bei den vergangenen beiden Präsidentschaftswahlen sein Glück versucht - beide Male wurde er Zweiter hinter Niinistö. Der 65-Jährige gehört den Grünen an, hat sich diesmal aber als Unabhängiger auf die Präsidentschaft beworben. Unter Marin war er finnischer Außenminister und unterzeichnete in dieser Funktion auch Finnlands Nato-Beitrittsurkunde - es war der bisherige Höhepunkt seiner langen politischen Karriere.

Der Präsident wird in Finnland für eine sechsjährige Amtszeit und anders als in Deutschland direkt vom Volk gewählt. Er spielt auch eine aktivere politische Rolle als in vielen anderen europäischen Ländern: Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählt, zusammen mit der Regierung über die Außen- und Sicherheitspolitik des Landes zu entscheiden. Aus der Innenpolitik hält er sich dagegen weitgehend heraus.

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