BERLIN: «Ampel»-Abgeordnete sprechen von einem überfälligen Schritt, Christdemokraten und AfD warnen hingegen vor «Turbo-Einbürgerung». Fakt ist: Wer in Deutschland lebt, kann künftig schneller die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen.
Der Weg zum deutschen Pass wird kürzer und Mehrfach-Staatsbürgerschaften werden zur Regel. Eine entsprechende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts beschloss der Bundestag am Freitag in Berlin.
Unter den 639 abgegebenen Stimmen waren 382 Ja-Stimmen und 234 Nein-Stimmen, bei 23 Enthaltungen. Die «Ampel»-Fraktionen SPD, Grüne und FDP stimmten in der finalen Abstimmung weitgehend dafür, CDU/CSU und AfD dagegen. Bei den fraktionslosen Abgeordneten, von denen die meisten der Linken oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht angehören, war das Bild gemischt.
Die «Ampel» stehe «für eine bunte und offene Gesellschaft», erklärte die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. Scharfe Kritik kam von der Union sowie der AfD.
Fünf statt acht Jahre
Einbürgerungen werden künftig schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren möglich, bei «besonderen Integrationsleistungen» sogar nach drei Jahren - das können besonders gute Leistungen in Schule oder Beruf oder bürgerschaftliches Engagement sein. Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, verurteilte das harsch. «Die Staatsbürgerschaft muss am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen und nicht am Anfang», sagte er. Der AfD-Abgeordnete Christian Wirth erklärte: «Die stolze Staatsbürgerschaft soll verramscht werden.»
Die SPD-Abgeordnete Gülistan Yüksel betonte hingegen, die mehr als zehn Millionen Menschen, die ohne deutsche Staatsbürgerschaft hier lebten, würden gebraucht: «Mehr als die Hälfte von ihnen lebt bereits seit über einem Jahrzehnt in Deutschland. Sie tragen zu unserem Wohlstand bei.»
Bekenntnis «zur historischen Verantwortung»
Kinder ausländischer Eltern bekommen künftig mit der Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil in Deutschland seit fünf Jahren rechtmäßig wohnt - bisher war das nach acht Jahren der Fall.
Zudem können Menschen, die Deutsche werden, ihre bisherige Staatsbürgerschaft in Zukunft behalten. Das geht bislang auch schon, zum Beispiel bei Bürgern anderer EU-Staaten. Die Ausnahme wird nun zur Regel. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), bemängelte: «Mit der generellen Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft fehlt im Kern das Bekenntnis zu unserem Land.»
Voraussetzung für eine Einbürgerung bleibt das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Künftig kommt das Bekenntnis «zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens, sowie zum friedlichen Zusammenleben der Völker und dem Verbot der Führung eines Angriffskrieges» hinzu.
Weniger Ausnahmen bei Empfängern von Transferleistungen
Wer als Gastarbeiter in die Bundesrepublik gekommen ist oder als Vertragsarbeiter in die DDR, muss zur Einbürgerung nur mündliche Deutschkenntnisse nachweisen und keinen Einbürgerungstest machen. Dies wird in dem Reformgesetz mit der «Anerkennung ihrer Lebensleistung» begründet und auch damit, dass Betroffenen in der Vergangenheit wenig Integrationsangebote wie Sprachkurse gemacht wurden.
Wer den deutschen Pass möchte, muss den eigenen Lebensunterhalt und den unterhaltspflichtiger Angehöriger selbst bestreiten können. Wer unverschuldet doch auf Sozialhilfe oder Grundsicherung angewiesen war, für den galt bislang eine Ausnahmeregelung. Diese soll es künftig nur noch für bestimmte Gruppen und Fälle geben. Dazu gehören Gastarbeiter, die häufig im Niedriglohnsektor gearbeitet haben, sowie deren nachgezogene Ehepartner. Ausgenommen sind künftig auch Ausländer mit Vollzeitjobs, die innerhalb der letzten 24 Monate mindestens 20 Monate lang gearbeitet haben sowie Ausländer, die als Ehe- oder eingetragener Lebenspartner mit einem minderjährigen Kind und einem vollzeitbeschäftigten Partner zusammenleben.