BERLIN: Nach den Erfahrungen der Corona-Krise werden Rufe lauter, Krankschreibungen auf Dauer auch telefonisch und ohne extra Praxisbesuch zu ermöglichen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Janosch Dahmen, sagte am Freitag der Deutschen Presse-Agentur, dies sei eine wichtige Entlastung für Patienten und Ärzte, die sich bewährt habe. «Wir sollten die Regelung nicht nur fortsetzen, sondern auch jenseits von Atemwegserkrankungen auf weitere akute Beschwerden ausweiten.» Die Verbraucherzentralen und der Hausärzteverband kritisierten das Ende einer entsprechenden Corona-Sonderregelung und forderten eine dauerhafte Lösung.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte der dpa, er halte die telefonische Krankschreibung für sinnvoll. Er verwies aber darauf, dass die Entscheidungsbefugnis darüber beim Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen liege. Lauterbach würde es nach eigener Aussage befürworten, wenn das Ende der Regelung noch einmal überdacht würde. Auch der Vorsitzende der Länder-Minister, Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg, sprach sich dafür aus. Wenn man zu mehr Digitalisierung hinwolle, gehöre es auch dazu, dass Menschen mit leichten Infekten nicht die Wartezimmer füllten, sondern sich telefonisch krankschreiben lassen könnten.
Die Corona-Sonderregelung bezogen auf leichte Erkältungsbeschwerden lief nur noch bis Freitag. Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte sie seit Ende März 2020 mehrfach verlängert, um unnötige Kontakte zu reduzieren und Corona-Infektionen zu vermeiden. Angesichts der entspannteren Pandemie-Lage läuft die Regelung nun aber aus. Von diesem Samstag an müssen Patientinnen und Patienten wieder in die Praxen gehen, wenn sie Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen brauchen.
Dahmen sagte: «Eltern, die schon kranke Kinder zu Hause haben, sollten die telefonische Krankschreibung standardmäßig nutzen können. Auch auf zusätzliche akute Erkrankungen wie beispielsweise einen Magen-Darm-Infekt oder Endometriose-Patientinnen sollte die Regelung ausgeweitet werden.» Die Ampel-Koalition sollte daher eine schnelle und pragmatische Fortsetzung beschließen. «Haus- und Kinderärzte kennen ihre Patienten», erläuterte der Gesundheitsexperte. Sie könnten telefonisch über eine Krankschreibung entscheiden.
Vom Deutschen Hausärzteverband kam Kritik. «Wer der telefonischen Krankschreibung jetzt den Stecker zieht, gefährdet die Versorgung und nimmt in Kauf, dass die Hausarztpraxen immer weiter unter Druck geraten», sagte die Vize-Vorsitzende Nicola Buhlinger-Göpfarth dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag). Weswegen eine Regelung, die in den vergangenen Jahren hervorragend funktioniert habe, jetzt ohne Not gestrichen werden solle, sei nicht nachvollziehbar. Telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen müssten ein fester Bestandteil der Versorgung werden - beispielsweise auch für Patienten mit leichten Magen-Darm-Infekten, die nicht vor Ort behandelt werden müssen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierte, die Konsequenz des vorläufigen Endes der Sonderregelung sei: «Mit Husten und Schnupfnase wieder ab ins übervolle Wartezimmer». Eine dauerhafte Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung wäre für Arztpraxen wie Patienten eine große Entlastung. Zielgruppe sollten besonders Menschen mit leichten Infekten und mit chronischen Erkrankungen ohne schwere Symptome sein.