Richter ordnet Blockade von Telegram in Spanien an

Foto: Pixabay
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MADRID: Spanien wollte Telegram blockieren. Doch der zuständige Richter ruderte nun überraschend zurück.

Nur drei Tage nach einer richterlichen Anordnung zur vorläufigen Sperrung des Kurznachrichtendienstes Telegram ist die Justiz in Spanien zurückgerudert. Der Beschluss vom Freitag werde außer Kraft gesetzt, teilte der Nationale Staatsgerichtshof am Montag in Madrid mit. Richter Santiago Pedraz habe seine Entscheidung revidiert, weil er zum Schluss gekommen sei, dass eine Blockade «überzogen und unverhältnismäßig» sei. Eine Sperrung von Telegram würde «Millionen von Nutzern» schaden, so das Gericht.

Man wisse zwar, heißt es in der Mitteilung, dass die Plattform auch für kriminelle Aktivitäten genutzt werde. Es gebe aber auch sehr viele Nutzer, die sich für Telegram entschieden hätten, weil es Vorteile biete, die andere Plattformen nicht hätten. Unter anderem werde bei Telegram die Privatsphäre der User besonders gut geschützt.

Nur wenige Stunden vor der Annullierung seines Beschlusses hatte Pedraz am Montag seine Anordnung zunächst ausgesetzt und dem Generalkommissar für Nachrichtendienste einen Bericht über Telegram in Auftrag gegeben.

Der Richter hatte erst am Freitag die vorläufige Blockade verfügt, nachdem mehrere Medienunternehmen eine Klage gegen Telegram wegen Verletzung von Vorschriften zum Schutz des Urheberrechts eingereicht hatten. Telegram war trotzdem von Spanien aus bis Montag noch weiter zu erreichen. Verbraucherschützer in Spanien, wo es mehrere Millionen Telegram-Nutzer gibt, hatten die Maßnahme als unverhältnismäßig kritisiert. Ländersperren lassen sich jedoch relativ leicht mit geschützten Netzwerkverbindungen (VPN) umgehen.

Pedraz hatte die Sperrung angeordnet, nachdem er die Behörden der britischen Jungferninseln in der Karibik, wo Telegram registriert ist, wiederholt vergeblich um Amtshilfe ersucht hatte. Die dortigen Behörden hatten nach Justizangaben bei der Klärung der Identität der Inhaber von Telegram-Konten, von denen aus urheberrechtlich geschützte Inhalte verbreitet worden seien, nicht kooperiert.

Die Zeitung «El País» schrieb, Telegram verweigere regelmäßig Auskünfte an Behörden. Da der Dienst die Identität seiner Nutzer mehr schütze als etwa die größere Konkurrenz von WhatsApp, werde sie von Regimegegnern in Diktaturen bevorzugt. Es gebe deshalb auf Telegram auch Kanäle mit kriminellen oder extremistischen Inhalten. Bei der nun annullierten Blockade ging es nach Ansicht des Blattes neben dem Schutz von Urheberrechten auch um einen Konflikt zwischen dem Richter eines Rechtsstaates und einem Privatunternehmen sowie um die Abwägung zwischen Anonymität und Straflosigkeit im Internet.

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