Spanien gedenkt seiner 27.000 Corona-Toten

Spaniens König Felipe (3), Königin Letizia (2-R) und ihre Töchter Prinzessin Leonor (4-R) und Infantin Sofia (R) bei einer Schweigeminute im Zarzuela-Palast in Madrid. Foto: epa/Jose Jimenez
Spaniens König Felipe (3), Königin Letizia (2-R) und ihre Töchter Prinzessin Leonor (4-R) und Infantin Sofia (R) bei einer Schweigeminute im Zarzuela-Palast in Madrid. Foto: epa/Jose Jimenez

MADRID: Plötzlich steht ganz Spanien still. Das Land, das von Corona hart getroffen wurde, gedenkt der Opfer mit einer einzigartigen Aktion. Auch Toni Kroos macht mit. Es gibt bewegende Szenen. Inmitten der Trauer sorgt eine Zahl aber für neue Erschütterung.

Mit der längsten Staatstrauer seiner demokratischen Geschichte gedenkt Spanien zehn Tage lang der mehr als 27.000 Todesopfer der Pandemie im Corona-Hotspot. Die Ehrung begann am Mittwoch mit einer bewegenden Schweigeminute im ganzen Land. Von Barcelona bis Bilbao, von Madrid bis Murcia hielten die Menschen ab zwölf Uhr mittags zum Teil viel länger als vorgesehen still. Die Schweigeminute dauerte schon mal drei oder vier Minuten. Autos und Busse blieben stehen. Überall wurden die Landesfahnen auf Halbmast gesetzt. Es handelt sich um die längste Staatstrauer in Spanien seit dem Ende der Diktatur von Francisco Franco im Jahr 1975.

König Felipe VI., Königin Letizia, die 14-jährige Kronprinzessin Leonor und Infantin Sofía (13) absolvierten die Zeremonie - nebeneinander stehend, alle ganz in schwarz gekleidet, aber ohne die von der Regierung vorgeschriebene Schutzmaske - im Vorgarten ihrer Residenz Palacio de la Zarzuela nordwestlich von Madrid. «Ganz Spanien weint um so viele Tausende Landleute, die wir in dieser Pandemie verloren haben», twitterte das Königshaus.

Der deutsche Fußballstar Toni Kroos und seine Kameraden bei Real Madrid unterbrachen wie die Profis anderer Clubs das Training, bildeten einen Kreis und ehrten schweigend die Opfer. Im Regierungssitz Palacio de la Moncloa stand der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez der Zeremonie vor. Im Parlament unterbrach die Gedenkzeremonie eine sehr hitzige Debatte. Die Abgeordneten standen alle auf, viele waren sichtlich bewegt.

Die Schweigeminute war vor allem auf den Straßen sehr ergreifend. Der staatliche Fernsehsender RTVE zeigte, wie überall im Land die Menschen aus Wohnhäusern, Läden und öffentlichen Gebäuden strömten, um die Opfer des Virus öffentlich zu würdigen. Vor Krankenhäusern versammelten sich viele Ärzte, Pfleger und Patienten. Einige hatten Tränen in den Augen. Das Gesundheitspersonal war zum Höhepunkt der Krise Ende März und Anfang April enormen Belastungen ausgesetzt, Krankenhäuser und Kliniken standen zeitweilig vor dem Kollaps. Mindestens 35 Ärzte und Pfleger starben mit der Covid-19-Krankheit.

Auf den Straßen blieben Passanten aller Altersgruppen stehen. Vor den Altenheimen, in denen das Virus Tausende Menschenleben forderte, standen Betreuer und zum Teil sehr betagte und auf einen Rollstuhl angewiesene Senioren still, wie die RTVE-Kameras zeigten. Die 54-jährige Architektin Marta, der das Virus die Mutter (82) entriss, sagte in Madrid der Deutschen Presse-Agentur: «Es fühlt sich so an, als ob das ganze Land von meiner Mama Abschied genommen hat.» Zum Abschluss der Zeremonie gab es vielerorts lauten Beifall.

Regierungssprecherin María Jesús Montero hatte am Dienstag darauf hingewiesen, dass acht von zehn Menschen, die an Covid-19 starben, älter als 70 gewesen seien. Sie hätten in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre dabei geholfen, Spanien beim schwierigen Übergang von der Diktatur (1939-1975) in die Demokratie aufzubauen.

Mit mehr als 235.000 Infektionsfällen und über 27.100 Toten ist Spanien eines der von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder der Welt. Die Zahl der Menschenleben, die Corona forderte, könnte aber viel höher liegen. Die Behörden gaben am Mittwoch inmitten der Trauer die seit März registrierte sogenannte Übersterblichkeit bekannt: Demnach starben in den letzten drei Monaten 43.000 Menschen mehr als im Vorjahreszeitraum.

Im Kampf gegen Corona erzielt Spanien aber seit Wochen beachtliche Fortschritte. Seit Mitte März gelten im Rahmen eines mehrfach vom Parlament verlängerten Alarmzustandes strenge Ausgehbeschränkungen und Regelungen, die erst seit kurzer Zeit schrittweise gelockert werden. Sánchez betonte mehrfach, diese Maßnahmen seien dafür verantwortlich, dass die Zahlen immer besser werden. Seit über einer Woche ist die Zahl der täglich gemeldeten neuen Todesfälle nur noch zweistellig.

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