Putin warnt vor weiterem Absenken der Gaslieferungen

Gipfeltreffen in Teheran. Foto: Sergei Savostyanov
Gipfeltreffen in Teheran. Foto: Sergei Savostyanov

TEHERAN: Russland steht seit langem im Ruf, seine Energieexporte als geopolitisches Druckmittel einzusetzen. Neue Äußerungen von Kremlchef Putin könnten diesen Verdacht nähren - und das kurz vor einem wichtigen Datum.

Inmitten der Energiekrise warnt Kremlchef Wladimir Putin Europa vor einem weiteren Absenken der russischen Gaslieferungen. Sollte Russland eine in Kanada reparierte Turbine für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli die tägliche Durchlasskapazität der Leitung nochmals deutlich zu fallen, sagte Putin in der Nacht zum Mittwoch laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. «Wir haben noch eine fertige Trasse - das ist Nord Stream 2. Die können wir in Betrieb nehmen», ergänzte Putin demnach.

Die Pipeline Nord Stream 1 - die wichtigste Gasleitung von Russland nach Deutschland - wurde 2011 in Betrieb genommen und hat eine Kapazität von rund 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Seit Juni hat Russlands staatlicher Energieriese Gazprom die Gaslieferungen nach Deutschland allerdings um mehr als die Hälfte der täglichen Höchstmenge auf 67 Millionen Kubikmeter reduziert. Begründet wurde dies mit der fehlenden Turbine von Siemens Energy, was Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als vorgeschoben kritisierte. Derzeit ist die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline zudem wegen alljährlicher Wartungsarbeiten völlig stillgelegt - planmäßig bis Donnerstag.

Sollte Russland die reparierte Turbine nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli wegen der notwendigen Reparatur eines «weiteren Aggregats» die tägliche Durchlasskapazität der Pipeline noch weiter zu fallen auf 33 Millionen Kubikmeter pro Tag, sagte Putin nun laut Tass. Er äußerte sich am Rande eines Spitzentreffens mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Teheran, bei dem es offiziell vor allem um die Lage im Bürgerkriegsland Syrien ging.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat Moskau nach und nach mehreren europäischen Ländern, die Kiew unterstützen, das Gas abgedreht. Kritiker stuften deshalb auch die Begründung der Lieferdrosselung mit der fehlenden Turbine als Vorwand ein.

Die in Kanada reparierte Turbine wurde wegen der westlichen Sanktionen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine lange zurückgehalten und nicht wieder an Russland übergeben. Zuletzt entschied die kanadische Regierung aber auf Bitten Berlins, die Turbine an Deutschland zu übergeben, womit sie wieder eingebaut werden kann. Damit solle Russland ein Vorwand für einen endgültigen Stopp der Gaslieferungen oder deren anhaltende Drosselung genommen werden, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. Nach Darstellung der Bundesregierung ist die Lieferung des Geräts von den EU-Sanktionen gegen Russland ausgenommen, weil diese sich nicht gegen den Gastransit richteten.

Aus Moskau hieß es, bis jetzt weder die Maschine noch die dazu gehörigen Dokumente eingetroffen. Außerdem lassen Putins Äußerungen in Teheran darauf schließen, dass auch nach Ende der Wartungsarbeiten und selbst bei Einbau der Turbine die Pipeline möglicherweise nicht wieder auf volle Leistung hochgefahren würde. Denkbar wäre, dass Moskau so die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 erzwingen will.

Die schon vor dem Ukraine-Krieg höchst umstrittene Pipeline Nord Stream 2 wurde 2021 fertig gebaut. Nach der Invasion setzte Deutschland das Genehmigungsverfahren für den Betrieb der Leitung aus. Putin hatte angesichts der Energiekrise erklärt, dass durch Lieferungen über Nord Stream 2 das Preisniveau wieder sinken und sich die Situation insgesamt entspannen könnte.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte am Dienstag betont, die Bundesregierung habe alles dafür getan, dass es «kein technisches Argument mehr für die russische Seite» gebe, die Pipeline nicht wieder ans Netz zu nehmen, auch durch die Bereitstellung der zuvor in Kanada gewarteten Turbine. Aber niemand würde «seine Hand ins Feuer legen wollen für politische Kräfte aus dem Umfeld von Wladimir Putin», sagte er dem Deutschlandfunk.

Russland steht seit langem im Ruf, seine Energielieferungen als geopolitisches Druckmittel einzusetzen. Besonders vor diesem Hintergrund stellt die EU-Kommission am Mittwoch einen Notfallplan vor, wie sich Europa auf einen drohenden Gasmangel im Winter vorbereiten kann. «Wir gehen bei unseren Wintervorbereitungsplänen vom schlimmstmöglichen Szenario aus», sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Dienstag. Erwartet wird unter anderem, dass der Brüsseler Plan vorsieht, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude ab Herbst bis maximal 19 Grad beheizt werden sollen und es verpflichtende Gassparziele geben könnte.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
theo kleine 20.07.22 18:20
Frieden schaffen ohne Waffen
DER FRIEDEN HEILIGT DIE MITTEL
Frieden schaffen ohne Waffen:
Realpolitik machen .
Geopolitisch denken.
Frieden gegen Land hatte Selensky bereits zu Begin der ersten Gespräche angeboten . Das war auch nach den beiden Weltkriegen so.
Wer den Krieg beenden will , muss Realpolitik vom Kriegsende her machen, sonst bleibt in einem Stellvertreterkrieg nur eine verwüstete Ukraine zurück mit Tausenden unnötigen Toten und ein Diktatfrieden Putins.
Das kann mit kluger Realpolitik ohne Denkverbote vermieden werden.

Die NATO wird nicht in den Krieg eingreifen. DAHER KÖNNTE seit DEM TAG des Beginns der Großoffensive die Todesspirale des Krieges enden, wenn die selbständigen Republiken mit einer Landbrücke zur Krim aufgegeben werden. Denn DIESES wird Putin früher oder später so oder so ohnehin bekommen, weil das sein nachvollziehbares bekanntes einziges REALISTISCHES Kriegsziel und auch durch einseitigen Waffenstillstand ERREICHBARES Kriegsende ist .

Dafür muss er als bittere Pille dem sofortigen Ukraine Beitritt der NATO zustimmen. Als Ausgleich für ihn und uns geht Nord Stream 2 als ein win win in Betrieb.

Mit dem gesicherten billigen Gas kann retrograd auch die Ukraine versorgt werden.

Die Industrie finanziert in den kommenden fünf bis acht Jahren mit den stärker sprudelnden Steuern der wieder billigen Energie den Umstieg auf erneuerbare Energien und Putin baut in dieser Zwischenzeit eine das Weltklima verbessernde Pipeline nach China für sein Gas.
Derk Mielig 20.07.22 17:50
"Russland (bzw UdSSR) hat am meisten Bodenschaetze
Den Quatsch habe ich in Geografie, 6.Kl, Anfang der 80er auf der POS, auch "gelernt". Es stimmt zwar, dass auf russischem Boden, in Werten ausgedrückt, die meisten Bodenschätze schlummern, nur ist RUS nicht in der Lage, diese auch effektiv abzubauen, geschweige denn, alles irgendwo hin zu transportieren, von wo es dann exportiert werden könnte.
Peter Joe 20.07.22 15:21
US $
Russland hat am meisten Bodenschaetze, Putin will nicht mehr weiter in US $ Exporte taetigen, dies haette dann zur Folge, dass der US $ als Weltwaehrung zusammen bricht.
Ling Uaan 20.07.22 13:10
Khun Sylten,
es handelt sich dabei um eine Ersatzturbine.
Schließlich war diese Turbine ja schon länger in Canada, damals konnte ja auch das Gas zu 100% geliefert werden.

Die Reduzierung auf 40% kam unmittelbar nachdem D die Panzerhaubitzen geliefert hatte. Das der Putler jetzt auf Nordstream 2 verweißt, inbetrieb nehmen will, ist genau so durchsichtig.
Das hat man im politischen Berlin mit Sicherheit auch verstanden, auch wenn man öffentlich anders tönt - aber das ist halt Politik.

Und natürlich sagt niemand wo das Teil sich gerade befindet, gibt gar die Zielkoordinaten, sonst kämen da sofort ukrainische Raketen.
Beat Sigrist 20.07.22 12:30
Russland führt Kriege auf diesem
Planeten, ist aber nicht mal fähig eine solche Pumpe selbst herzustellen, um das Gas zu transportieren. Dies zeigt klar, wie stark Russland auf westliche Technologie angewiesen ist. Man sollte die Sanktionen noch weiter ausbauen gegen Russland. Nicht mal eine einzige Schraube sollte aus dem Westen dem Diktator Putin geliefert werden. In 3-5 Monaten wird das ganze Eisenbahnnetz und die noch vorhandene Flugindustrie kollabieren dort. Auch die Zerstörung der eigenen Infrastruktur durch mutige russische Bürger nimmt wöchentlich zu. Die ganze Kriegsführung von Russland gegen die Ukraine basiert auf einem sehr tiefen menschlichem Niveau. Russland führt keinen Krieg gegen die ukrainische Armee, sondern nur gegen die Zivilbevölkerung, also gegen Frauen und Kinder und Rentner und zerstört mit 100% Absicht deren Wohnraum. Putin zeigt wieder einmal und nicht zum ersten Mal, dass kein Tier auf diesem Planten so gefährlich ist wie der Mensch selbst. Er hat ja auch viel geübt in Syrien und zehntausende Zivilisten dort ermordet, mit Fassbomben und Giftgasangriffen und der Zerstörung des Lebensraum der Zivilbevölkerung.
Thomas Sylten 20.07.22 12:20
Verwirrspiel
Es wird doch wohl festzustellen sein, ob die Turbine - nachdem sie von Kanada an Deutschland zurück gegeben wurde - nun von Deutschland an RU ausgeliefert wurde, oder nicht. Denn dass die Pipeline ohne diese Turbine nicht mit 100% Kapazität laufen kann, halte ich nicht für vorgeschoben, sondern für logisch - sonst bräuchte es diese Turbine ja nicht. Also was soll dieses Verwirrspiel?
Ingo Kerp 20.07.22 12:00
Eines muß man beim Despoten Erdowahn neidlos anerkennen. Er ist nach vielen berechtigten Schmähungen wieder auf der Weltbühne und viele Weg führen nicht mehr an ihm vorbei. Er spricht mit RUS genauso wie mit der Ukraine. Er hat derzeit ein innenpolitisches Desaster, außenpolitisch tritt er aber groß auf. Man kann sich über ihn nur wundern.