Neue und alte Staatsmacht streiten um Medienkontrolle

Polnischer Premierminister Donald Tusk während einer Pressekonferenz nach der ersten Sitzung seines Kabinetts im Büro des Premierministers in Warschau. Foto: epa/Leszek Szymanski Polen Aus
Polnischer Premierminister Donald Tusk während einer Pressekonferenz nach der ersten Sitzung seines Kabinetts im Büro des Premierministers in Warschau. Foto: epa/Leszek Szymanski Polen Aus

WARSCHAU: Die neue Regierung in Polen will Schluss mit der Propaganda der alten Führung machen - deshalb greift Regierungschef Tusk bei den öffentlichen Medien durch. Journalisten mahnen: Polen braucht einen wirklich unabhängigen Rundfunk.

In Polen dauert der Konflikt um die öffentlichen Medien nach dem Auswechseln der Führungsriegen durch die neue Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk an. Politiker der abgewählten nationalkonservativen Regierungspartei PiS protestierten auch am Donnerstag weiter im Gebäude des Fernsehsender TVP. Der aus der PiS stammende Präsident Andrzej Duda nannte das Vorgehen der Regierung «völlig unrechtmäßig» und eine Verletzung der Verfassung. Wer andere Regeln für die Leitung der Medien wolle, müsse zuerst das entsprechende Gesetz ändern, sagte Duda dem Radiosender Zet. «Das ist Anarchie. Es ist Anarchie, das geltende Recht zu umgehen», sagte er.

Tusks Kanzleichef Jan Grabiec versuchte, die Gemüter zu beruhigen. Er rief die PiS-Abgeordneten dazu auf, ihr «aggressives Verhalten» einzustellen. Es habe schon ein erstes Gespräch zwischen Tusk und Duda über die Zukunft der Medien gegeben, sagte er. «Die Regierung beabsichtigt, ihre Arbeit an der neuen Ordnung der öffentlichen Medien offen zu gestalten. Die Stimme des Präsidenten wird wichtig sein», sagte Grabiec nach Angaben des Portals Onet.pl.

Der Konflikt um die Medien ist der schwerste zwischen der neuen Regierung, die bei der Wahl im Oktober ihre Mehrheit erhielt, und der früheren PiS-Staatsmacht. Duda ist deren letzter ranghoher Vertreter.

Am Mittwoch hatte Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz mit einem Schlag die gesamte Führung der Öffentlich-Rechtlichen gefeuert. Dies betraf die Vorstandschefs und die Aufsichtsräte des Fernsehsenders TVP, des polnischen Radios sowie der Nachrichtenagentur PAP. Die Regierung Tusk wirft den Medien vor, sie hätten in den vergangenen acht Jahren unter der PiS-Regierung Parteipropaganda verbreitet. Auch internationale Organisationen hatten die einseitige Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien in Polen kritisiert.

Die PiS-Führung um Jaroslaw Kaczynski protestierte, sprach von einem Staatsstreich und einem Anschlag auf Demokratie und Pressefreiheit. Kundgebungen vor der Fernsehzentrale fanden am Mittwoch aber keinen großen Zulauf. Einige PiS-Vertreter harrten im Gebäude von TVP auch über Nacht aus. Der normale Nachrichtenbetrieb sollte am Donnerstagabend unter neuer Ägide wiederaufgenommen werden.

Aus anderen Medien kam die Aufforderung an die Regierung, dass der öffentliche Rundfunk tatsächlich unabhängig gemacht werden müsse. «Die PiS ist ihres Einflusses auf TVP beraubt worden. Es war kein öffentliches Fernsehen, sondern das Fernsehen von Jaroslaw Kaczynski, der es wie sein Eigentum behandelte», schrieb die liberale Zeitung «Gazeta Wyborcza». «Wichtiger ist etwas anderes, nämlich wie sich die neue Regierung die öffentlichen Medien vorstellt. Hierfür wird sie ernsthaft zur Rechenschaft gezogen werden.»

TVP sei nie unabhängig gewesen wie die BBC als öffentlich-rechtliche Anstalt, sagte der Medienwissenschaftler Krzysztof Grzegorzewski von der Universität Lodz. Unter der PiS sei TVP eher dem russischen Staatsender RT (Russia Today) vergleichbar gewesen. «Aber auch die neue Regierung spricht nicht vom Aufbau einer neuen BBC», warnte er.

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