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Fotomontage: DER FARANG
Fotomontage: DER FARANG

Unterwasseraufnahmen vom «Estonia»-Wrack - Urteil in Göteborg

GÖTEBORG: In einem Prozess rund um aufsehenerregende Funde am Wrack der 1994 gesunkenen Ostsee-Fähre «Estonia» wird am Montag (11.00 Uhr) in Göteborg das Urteil gegen zwei Schweden erwartet. Ihr Filmteam soll bei den Unterwasseraufnahmen für eine Dokumentation vorsätzlich gegen den Grabfrieden verstoßen haben, der nach dem fatalen Untergang über das Wrack verhängt worden war. Der «Estonia»-Untergang mit 852 Toten gilt als Europas größte Schiffskatastrophe der Nachkriegsgeschichte.

Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Dokumentarfilmer von Deutschland aus und mit einem deutschen Schiff an den Unglücksort gelangten - und Deutschland als Ostsee-Anrainer ein Abkommen zum Schutz der Grabstätte nicht unterzeichnet hat. Die Staatsanwältin hatte Ende Januar vor dem Göteborger Bezirksgericht eine Bewährungsstrafe und Geldstrafen für die Angeklagten gefordert. Beide stritten ein gesetzwidriges Verhalten hingegen ab.

Die Fähre war in der Nacht zum 28. September 1994 mit 989 Menschen an Bord auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm in internationalen Gewässern vor der finnischen Südküste gesunken. Nur 137 überlebten. Weil viele der Toten nicht geborgen werden konnten, steht das Wrack als Ruhestätte unter Schutz und darf nicht aufgesucht werden - das legt der Grabfrieden fest. Warum die «Estonia» unterging, konnte bis heute nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Das Filmteam um die beiden 37 und 33 Jahre alten Angeklagten hatte im September 2019 einen Tauchroboter zum Wrack herabgelassen. Was sie später in einer Dokumentationsserie veröffentlichten, sorgte für viel Aufsehen: Der Tauchroboter hatte unter anderem ein mehrere Meter langes und bislang unbekanntes Loch im Schiffsrumpf entdeckt.

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Thomas Sylten 08.02.21 12:07
Ich kann mich gut erinnern, dass der eilig verhängte "Grabfriede" schon damals hochumstritten war, weil damit eine Aufklärung des Untergangs vereitelt und folgerichtig Vertuschung vermutet wurde.

Das nun gefundene "unbekannte Loch" (?!!) stützt diese Vermutung, denn es hätte ja schon längst thematisiert werden können - die beiden Angeklagten haben also den Anstoß zur Aufklärung geliefert, und möglicherweise gehören ganz andere Adressaten auf die Anklagebank. Diesen beiden jedenfalls gebührt Ehre und Verdienst, möglicherweise ein altes, aber unvergessenes Verbrechen vom dunklen Grund der Ostsee ans Licht zu bringen.