Kleinstparteien droht Sperrklausel für Europawahlen

STRAßBURG: Deutsche Kleinstparteien wie die Freien Wähler und die Satirepartei Die Partei müssen befürchten, wegen einer möglichen neuen Sperrklausel nach der nächsten Europawahl 2024 nicht mehr ins EU-Parlament einzuziehen. Die Verhandlungsführer der größten Fraktionen im EU-Parlament einigten sich am Mittwochabend auf eine gemeinsame Position zur Reform des Europawahlrechts. Diese sieht die Einführung einer Sperrklausel in den bevölkerungsreichsten EU-Staaten vor, darunter Deutschland. Die Piratenpartei nannte die Pläne am Donnerstag einen «Anschlag auf unsere Demokratie».

Die Sperrklausel würde bedeuten, dass Parteien, die weniger als 3,5 Prozent der Stimmen erreichen, nicht im Straßburger Parlament vertreten wären. Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten Daniel Freund soll es aber Ausnahmen für Parteien wie etwa Volt geben, die in mindestens sieben Ländern antreten.

Bevor die Pläne Realität werden könnten, müsste zuerst das EU-Parlament als Ganzes zustimmen, dann läge die Entscheidung bei den Mitgliedstaaten. Daher ist unklar, ob die Reform tatsächlich rechtzeitig vor der nächsten Europawahl beschlossen würde, die voraussichtlich im Frühjahr 2024 stattfinden soll. Rechtsexperten empfehlen, das Wahlrecht in den zwölf Monaten vor einer Wahl nicht mehr entscheidend zu ändern. In Deutschland hatte es früher eine im Bundesrecht geregelte Sperrklausel von drei Prozent für Europawahlen gegeben, die das Bundesverfassungsgericht aber 2014 für nichtig erklärte. Die nun angedachte Reform wäre eine europaweite Regelung.

Der Piraten-Europaabgeordnete Patrick Breyer erklärte: «Mit der geplanten Sperrklausel von 3,5 Prozent wären bei der letzten Europawahl 3,1 Millionen Wählerstimmen für sechs kleine Parteien wie die Piratenpartei, Freie Wähler und Die Partei wertlos verfallen und deren Parlamentssitze stattdessen an das politische Establishment gegangen.» Die EU-Wahlrechtsreform dürfe nicht von größeren Parteien benutzt werden, um ihre Stimmeneinbußen bei Wählern zu kompensieren.

Die Reformpläne der Fraktionen sehen neben der Sperrklausel auch die Einführung transnationaler Listen vor, die zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt sein sollen. Nach den Vorstellungen der Verhandlungsführer sollen 28 neue Sitze im EU-Parlament geschaffen werden, die über solche europaweiten Listen gefüllt würden. Die Wähler bekämen dafür eine zweite Stimme.

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