KPÖ setzt ein Signal

Klassenkampf durch Bürgerservice 

Vienna Daily Life. Photo: epa/ZOLTAN BALOGH HUNGARY OUT
Vienna Daily Life. Photo: epa/ZOLTAN BALOGH HUNGARY OUT

WIEN: Kommunisten im Parlament? Ein Kanzler von der rechten FPÖ? In Österreich rückt das bisher Undenkbare in den Bereich des Möglichen. Die KPÖ gilt plötzlich nicht wenigen als Partei ohne Schrecken.

«Ich freue mich sehr über diesen Anfang.» Österreichs Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek findet in einer Stellungnahme für das Nachrichtenmagazin «News» das bemerkenswerte Abschneiden der KPÖ bei den jüngsten Landtagswahlen in Salzburg gut. Die Kommunisten erhielten landesweit mehr als elf Prozent der Stimmen, in der wegen ihrer hohen Wohnpreise berüchtigten Landeshauptstadt sogar 21 Prozent. Tatsächlich könnte diese Wahl der Beginn eines Aufstiegs der linken Partei in der Alpenrepublik sein.

Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts OGM käme die KPÖ aktuell mit sechs Prozent auch in den Nationalrat - im Vergleich zur Nationalratswahl 2019 etwa eine Verzehnfachung der Stimmen. «Das war mehr als eine Eintagsfliege, das war ein Signal», sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer zum Wahlausgang in Salzburg im April.

Ein wesentlicher Grund: Die Angst der Österreicher vor dem sozialen Abstieg angesichts der EU-weit besonders ausgeprägten Teuerung bei Lebensmitteln, Energie und Mieten. «Keine Profite mit Strom und Miete» - einer der KPÖ-Slogans - scheint zu verfangen. Darüber hinaus wollen die Kommunisten ein bedingungsloses Grundeinkommen, höhere Steuern für Reiche sowie Erbschaftssteuern.

Viele Bürger suchen Halt und Verständnis für ihre Nöte - und finden beides nach Einschätzung des Meinungsforschers weniger denn je in der politischen Mitte, sondern an den linken und rechten Rändern. «Die Themen spielen auch der FPÖ voll in die Karten», so Bachmayer weiter. Die Rechtspopulisten rangieren seit Monaten mit rund 30 Prozent Zustimmung mit Abstand auf Platz eins bei den Umfragen - und wähnen sich auf dem Weg, mit FPÖ-Chef Herbert Kickl bald den Kanzler zu stellen.

Die konservative ÖVP und die sozialdemokratische SPÖ, die seit Jahrzehnten abwechselnd die Geschicke des Landes lenkten, haben derzeit wenig Strahlkraft. In der SPÖ tobt dazu ein parteiinterner Machtkampf um die Parteispitze, der oft für negative Schlagzeilen sorgt.

Die aktuelle Lage ist beispiellos. «Das hat es noch nie gegeben. Eigentlich ist der Zustand der KPÖ als einer winzigen Splitterpartei von fast permanenter Krise geprägt gewesen», sagt der Sachbuchautor Robert Foltin. Aber in den 1990er Jahren sei es ihr zumindest auf Landesebene in der Steiermark gelungen, durch großes Engagement in der Sozialpolitik und in der Wohnungsfrage erste Akzente zu setzen.

Die KPÖ-Funktionäre sind für die Bürger mittels Sprechstunden und Hotlines erreichbar und müssen laut Parteistatut alles Gehalt jenseits des Durchschnittseinkommens für soziale Zwecke spenden. So hat Elke Kahr, die wohl bekannteste Kommunistin Österreichs und seit 2021 Bürgermeisterin von Graz, in ihren knapp 20 Jahren als kommunale Spitzenpolitikerin nach eigenen Angaben mehr als eine Million Euro unter Bedürftigen verteilt.

«Das Schreckgespenst Kommunismus funktioniert nicht mehr», ist Foltin überzeugt. Die Partei jedenfalls will sich die Chance auf politische Relevanz nicht entgehen lassen. «Unsere Gremien befassen sich damit, uns personell und organisatorisch in anderer Qualität als bisher auf Kampagnen vorzubereiten», sagt KPÖ-Sprecher Tobias Schweiger. Zur Zeit habe die KPÖ nur 2500 Mitglieder, aber «Hunderte von Anfragen in den letzten Wochen.»

Das Wort «Bürgernähe» als Rezept für den Erfolg findet er abgegriffen. «Wir arbeiten mit dem Blick von unten», sagt Schweiger lieber. Jeder Mandatar dürfe nur - abhängig von den regionalen Lebenshaltungskosten - 1900 bis 2300 Euro behalten - und wisse so automatisch über die Folgen einer beschränkten Haushaltskasse Bescheid. Sollte die KPÖ auch Sitze im Nationalrat bekommen, müssten die Abgeordneten von ihrem Gehalt von knapp 10.000 Euro viel abgeben.

Bis zum Wahltermin im Herbst 2024 dürfte sich wenig an der sorgenvollen Stimmung in Österreich ändern. Damit bliebe die Ausgangslage für KPÖ und FPÖ günstig. Und auch positive Zahlen wie die niedrige Arbeitslosigkeit und die noch ungebrochene Kaufkraft, aus Sicht der Regierung von ÖVP und Grünen einer der Erfolge ihrer milliardenschweren Unterstützungs-Politik für sozial Schwache, könnten kippen. «Ich rechne damit, dass die Arbeitslosigkeit demnächst steigt», sagt Bachmayer.

Es gibt zur KPÖ auch warnende Stimmen. Die Partei sei weiter für die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft, sagte der bekannte Philosoph Konrad Liessmann. Die Partei habe sich von den Verbrechen des Stalinismus und kommunistischer Diktaturen nur halbherzig distanziert. Auch ein «radikaler EU-kritischer Ton ist unüberhörbar», so Liessmann zum Magazin «News».

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