Keine Arbeit bei Regelschmerzen - auch in Deutschland?

Gleichstellungsministerin Irene Montero hält eine Rede bei der Vorstellung des Berichts der Arbeitsgruppe zur Rolle der Frauen in der spanischen Wirtschaft am Sitz des Industrieministers in Madrid. Foto: epa/Emilio Naranjo
Gleichstellungsministerin Irene Montero hält eine Rede bei der Vorstellung des Berichts der Arbeitsgruppe zur Rolle der Frauen in der spanischen Wirtschaft am Sitz des Industrieministers in Madrid. Foto: epa/Emilio Naranjo

MADRID: Arbeiten trotz heftiger Unterleibsschmerzen während der monatlichen Regel - davon sollen Frauen in Spanien künftig befreit werden. Denkbar wäre eine solche Regelung nach Expertenansicht auch in Deutschland. Aber wäre sie auch sinnvoll?

Spanien will Frauen künftig bei heftigen Regelbeschwerden per Gesetz von der Arbeit befreien. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde am Dienstag vom Kabinett der linken Regierung in Madrid gebilligt. Demnach sollen Spanierinnen das Recht bekommen, bei Regelschmerzen zu Hause zu bleiben - und zwar so lange, wie die Schmerzen andauern. Die geschätzten Kosten in Höhe von 23,8 Millionen Euro pro Jahr soll der Staat übernehmen. Um arbeitsfrei zu bekommen, muss die betroffene Frau einen Arzt konsultieren.

«Wir machen ein Gesetz, mit dem sichergestellt wird, dass Frauen besser leben und ihre Lebensprojekte in völliger Freiheit entwickeln können», erklärte Gleichstellungsministerin Irene Montero nach der Kabinettssitzung. «Es ist Schluss mit dem Arbeiten unter Schmerzen und mit dem Pillenschlucken!» Der Entwurf wird dem Parlament in Madrid allerdings erst nach einer mehrmonatigen Konsultationsphase vorgelegt werden können. Vor Ende 2022 wird er laut Experten auf keinen Fall in Kraft treten können.

Spanien wäre das erste Land in Europa mit einem derartigen Gesetz. Vergleichbare Regelungen gibt es zum Beispiel in Taiwan: Hier können Frauen in solchen Fällen aber nur drei Tage pro Jahr der Arbeit fernbleiben, und bekommen dann auch nur die Hälfte des Lohns. In Südkorea müssen Arbeitgeber ihren weiblichen Beschäftigten einen Tag im Monat frei geben, wenn sie den Anspruch geltend machen - wer die Kosten übernimmt und ob es trotzdem Lohn gibt, ist in dem Gesetz aber nicht geregelt.

In Deutschland sei eine ähnliche Regelung wie in Spanien zumindest theoretisch denkbar, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin. Eine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung aufgrund des Geschlechts läge damit nach seiner Einschätzung nicht vor. «Denn die Idee dahinter wäre ja gerade, Ungerechtigkeiten aufgrund des Geschlechts zu beseitigen», erklärt der Experte. «Das könnte man also rechtssicher ausgestalten, wenn man es richtig macht.»

Krankschreibungen sind in Deutschland so geregelt, dass ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit bezogen auf die jeweilige Tätigkeit erklärt. «Der Arbeitgeber erfährt dann auch nicht, welche Beschwerde genau vorlag - da wäre die Frage, ob das nicht auch in dem Fall die bessere Lösung ist», sagt Bredereck.

Allerdings könnten häufige Krankheitsfälle laut geltender Rechtsprechung ein Kündigungsgrund sein - eine gesetzliche Regelung, die Menstruationsbeschwerden davon ausnimmt, wäre nach Ansicht des Anwalts also tatsächlich eine Verbesserung zugunsten von Arbeitnehmerinnen. «Und natürlich könnte eine solche Regelung auch mehr Bewusstsein schaffen für existierende Ungerechtigkeiten in diesem Zusammenhang.»

Für schwierig hält Bredereck allerdings die in Spanien vorgesehene Regelung, dass der Staat in solchen Fällen die Kosten übernimmt. Denn in Deutschland zahlt ja eigentlich bei Krankheit zunächst der Arbeitgeber weiter das Gehalt. «Das wäre in Deutschland tatsächlich eine grundlegende Änderung im System, das finde ich derzeit schwer vorstellbar.»

In Spanien wird die Gesetzesinitiative von Ministerin Montero vom kleineren linksalternativen Koalitionspartner Unidas Podemos vorangetrieben. Der Entwurf ist Teil einer angestrebten Neuregelung des Abtreibungsrechts. Es erlaubt künftig Frauen ab 16 einen Schwangerschaftsabbruch auch ohne Einverständnis der Eltern. Zudem soll es die «Pille danach» künftig gratis geben. Nach Schätzung des Ministeriums werden alle neuen Regelungen den Staat insgesamt rund 107 Millionen Euro pro Jahr kosten.

Aus den Reihen der sozialistischen PSOE-Partei von Regierungschef Pedro Sánchez gab es Vorbehalte gegen den Gesetzentwurf. So warnte das Wirtschaftsministerium von Nadia Calviño, die Regelung könne Frauen im Wettbewerb um Arbeitsplätze benachteiligen. Die Regierung werde niemals Maßnahmen ergreifen, die «Frauen stigmatisieren» könnten, betonte Calviño. Doch Montero wies diese Befürchtung am Dienstag zurück: Stigmatisiert sei bereits «das Reden über die Regel in der Gesellschaft» und insbesondere «am Arbeitsplatz».

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