IM RESSORT pl: Artensterben

Naturschützer fordern Kurswechsel

Ein Tukan im Bao Son Paradise Park in Hanoi. Foto: Luong Thai Linh/EPA/dpa
Ein Tukan im Bao Son Paradise Park in Hanoi. Foto: Luong Thai Linh/EPA/dpa

BERLIN (dpa) - Nicht nur der Klimawandel bedroht die Lebensgrundlagen der Menschen, auch das Artensterben ist eine Gefahr für die Ökosysteme. Ein neuer Weltbericht rüttelt auf - und der Ruf nach Konsequenzen wird lauter.

Angesichts der bedrückenden Warnung vor einem massenhaften Artensterben fordern Politik, Naturschützer und Wissenschaftler mehr Nachhaltigkeit bei Wirtschaft und Konsum. Für eine Kehrtwende brauche es ein grundsätzliches Umdenken - von der Politik über Unternehmen bis hin zu jedem Einzelnen, sagte Ralf Seppelt vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, einer der Autoren des Weltberichts zum Zustand der Artenvielfalt, am Dienstag in Berlin. «Es geht um eine großflächige Umstrukturierung, auch von Werten.»

In dem am Montag in Paris vorgestellten UN-Bericht heißt es unter anderem, von den geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit seien bis zu eine Million vom Aussterben bedroht. Das Ausmaß des Artensterbens sei in der Geschichte der Menschheit noch nie so groß gewesen.

Die allermeisten Deutschen messen dem Naturschutz einer Umfrage zufolge überragende Bedeutung bei. 98 Prozent von gut 1500 für das Eurobarometer Befragten in Deutschland sagten, es sei die Verantwortung der Menschheit, die Natur zu schützen. Jeweils 97 Prozent sagten, Biodiversität (biologische Vielfalt) sei wesentlich für den Klimaschutz und trage zu Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen bei. Die Zahlen legte die EU-Kommission in Brüssel vor.

Aber was soll konkret passieren? Die Grünen forderten am Dienstag, der Wohlstand von Staaten müsse anders bemessen werden. «Wenn wir die Natur weiterhin blind zerstören, hat das auch volkswirtschaftlich immense Kosten», sagte Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse weg von einer Orientierung am Wachstum des Bruttoinlandsproduktes. «Wir müssen stattdessen auch soziale und ökologische Kriterien einbeziehen, wenn wir unseren Wohlstand ernsthaft messen wollen», sagte er.

Eine Abkehr vom «Wirtschafts-Mantra des ständigen Wachstums» mahnte auch die Naturschutzorganisation BUND an. «Die Zerstörung der biologischen Vielfalt bedroht die Menschheit mindestens so sehr wie die Klimakrise», sagte BUND-Chef Hubert Weiger. «Wir müssen endlich die Bereitschaft aufbringen, den Ressourcenverbrauch in Deutschland drastisch zu reduzieren.»

Nils aus dem Moore vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erklärte, vor allem bei Subventionen für fossile Kraftstoffe, Fischerei und Landwirtschaft bestehe Handlungsbedarf. «Werden diese zentralen Fehlsteuerungen nicht durch grundlegende Reformen korrigiert, dann sind andere Maßnahmen nur ein Tropfen auf den heißen Stein», sagte er.

Den Abbau solcher Subventionen hält auch der Berichts-Mitverfasser Seppelt für notwendig. Zudem brauche es mehr Zusammenarbeit der Bundesministerien bei Umweltthemen und ein Ende des Lagerdenkens, sagte er. Naturschutz müsse auch in genutzten Landschaften stattfinden. Flächenverlust, etwa durch Bebauung, sei eines der großen Probleme. Mitautorin und Klimaforscherin Almut Arneth mahnte an, es gehe auch um einen Wandel im Produktions- und Konsumverhalten - aber nicht unbedingt um Verbote. Es gebe andere Wege, um zum Beispiel verantwortlicheren Fleischkonsum zu erreichen. Dazu sei Schulbildung wichtig - zu Themen wie Massentierhaltung oder zur Abholzung des Regenwaldes.

Umweltministerin Svenja Schulze zeigte sich ebenfalls alarmiert. «Die Lage ist ernst», sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag) - und verwies auf die heimische Agrarlandschaft. «Früher kannte jedes Kind Kiebitz, Feldlerche oder Rebhuhn. Heute sieht man diese Arten kaum noch auf den Feldern. Der Frühling ist stumm geworden.» Den Vögeln fehlten die Insekten und den Insekten wiederum das Blütenangebot.

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