G20-Streit um Russlands Krieg

Indien schmiedet Kompromiss

Der G20-Gipfel. Foto: epa/Indian Press Information Bureau
Der G20-Gipfel. Foto: epa/Indian Press Information Bureau

NEU DELHI: Bringt Indien beim G20-Gipfel die Interessen des Westens und Russlands unter einen Hut? Bereits kurz nach Beginn des Spitzentreffens in Neu Delhi gibt es Zeichen in diese Richtung. Enttäuscht könnte die Ukraine sein.

Beim G20-Gipfel in Neu Delhi zeichnet sich im Streit über den Umgang mit dem Ukraine-Krieg ein Kompromiss ab. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gehen Unterhändler davon aus, dass am Ende des Spitzentreffens der führenden Industrie- und Schwellenländer ein von Gastgeber Indien vorgelegter Text angenommen werden kann. Er kommt sowohl Forderungen Russlands als auch des Westens entgegen.

Moskau erreichte demnach, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht mehr wie noch im Vorjahr explizit verurteilt wird. Stattdessen wird nun nur noch auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen verwiesen.

Der Westen handelte hingegen eine Formulierung heraus, nach der alle Staaten von Angriffen auf die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit anderer Staaten Abstand nehmen müssen. Zudem werden zumindest indirekt wieder die Atomwaffendrohungen Russlands kritisiert. «Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen ist unzulässig», heißt es in dem Text, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Er wurde von Indien gemeinsam mit Südafrika, Brasilien und Indonesien vorgeschlagen.

Der zweitägige G20-Gipfel war am Samstag in Neu Delhi von Indiens Premierminister Narendra Modi eröffnet worden.

Aus der russischen Delegation gab es zunächst keine Bestätigung für eine mögliche Einigung auf eine Gipfelerklärung. Es hieß nur, dass jedes Dokument ein Ergebnis von Kompromissen sei.

Besonders wichtig dürfte für Moskau sein, dass in dem Entwurf für die Abschlusserklärung auch auf russische Forderungen nach einer Lockerung der westlichen Sanktionen eingegangen wird. So heißt es dort, man rufe dazu auf, die «unverzügliche und ungehinderte Lieferung von Getreide, Lebensmitteln und Düngemitteln/Zusätzen von der Russischen Föderation und der Ukraine» zu gewährleisten. Dies sei notwendig, um den Bedarf in Entwicklungsländern, besonders denen in Afrika zu befriedigen.

Kremlchef Wladimir Putin hatte zuletzt unter Verweis auf westliche Sanktionen gegen sein Land ein Abkommen für den Transport von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer aufgekündigt. Er argumentiert, dass die Strafmaßnahmen auch den Transport russischer Nahrungs- und Düngemittel in andere Teile der Welt behindern.

Aus Delegationen war zuvor von einem harten Ringen der Unterhändler um die Formulierungen berichtet worden. Den Angaben zufolge stand dem Westen eine Allianz aus China und Russland gegenüber. Peking gilt als international wichtigster Partner Moskaus und hat den Angriffskrieg auf die Ukraine bisher nicht verurteilt. Wegen des Streits war offen gewesen, ob es wie üblich eine gemeinsame Abschlusserklärung der Teilnehmer geben würde.

Beim vorherigen G20-Gipfel auf der indonesischen Ferieninsel Bali hatte sich Moskau 2022 offensichtlich auf Druck Chinas einverstanden erklärt, in die Abschlusserklärung den Satz aufzunehmen: «Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste.» Russlands Position wurde mit den Worten abgebildet: «Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage und der Sanktionen.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Ingo Kerp 10.09.23 16:00
Zum Abschluß gab es eine wachsweiche gemeinsame Erklärung aber, wegen russischer Eigenbroetelei, gab es kein gemeinsames Abschlußfoto. Manche Politiker scheinen dem Kindergartenbefinden immer noch nachzuhängen.